Gästebuch der Seeleute Rostock - Teil 2

Auszug aus unserem Gästebuch von 08/2007 bis 10/2009, Seite 1/5

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Name Kommentar
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Roland erstellt am 01-08-2009 um 10:33 Uhr   
Hallo,
über meine Website bekam ich folgende Episode geschildert - von einem westdeutschen Kollegen. Kennt jemand die genaueren Umstände, bzw. kann das von euch jemand bestätigen? Ich bin leider nie Typ-IV gefahren, bin zu spät zur Seefahrt gekommen...

Zitat Beginn:
"Frühjahr 1976 auf Seereede vor Shanghai.

Wir liegen seit Tagen oder Wochen am Anker. Dann registrieren wir die Ankunft des DDR- Frachters "Freundschaft" und Tage später des Schwesterschiffes "Frieden". Der Ankommende hatte Ersatzteile für den bereits auf Reede Liegenden an Bord, die mit einer kleinen Barkasse abgeholt werden sollten. Man wollte wohl Zoll- und Behördenprobleme bei einer Ersatzteilübergabe im Hafen vermeiden Wir beobachteten das ganze Manöver von der Brücke durch Ferngläser und hörten ihren Sprechfunk. Es wurde dunkel und das Wetter schlechter. Der Kapitän ermahnte seine Leute, mit dem nicht seetüchtigen Motorboot (kein Rettungsboot!!) und den Ersatzteilen zurückzukommen. Dann nahm die Tragödie ihren Lauf. Das Boot ging längsseits und sollte mit Leuten und offenkundig schweren Ersatzteilen an Bord genommen werden. Angeschlagen vorn und achtern, wurde es gehievt und brach plötzlich auf halber Höhe in der Mitte, wo die Ersatzteile lagerten, durch. Die Leute rauschten in die Tiefe (2 oder 3 Mann). Ein oder zwei Matrosen konnten sich achtern an der Bordwand an schnell geworfenen Tampen festhalten und gerettet werden. Der Chief trieb bei mindestens 3 Knoten Strömung seewärts achteraus (Wassertemperatur höchstens 8°). Sie ließen sofort ein Rettungsboot (Ruckswilli) zu Wasser, das jedoch bei der Strömung chancenlos war. Wir hatten sofort unser bestes Motorrettungsboot klar gemacht und boten über Sprechfunk Hilfe an, die jedoch abgelehnt wurde. Der Ruckswilli mit mindestens 10 Leuten (oder wie viel sind für solch ein Gerät erforderlich?) war schnell abgetrieben und seewärts in der Dunkelheit verschwunden. Nach etlicher Zeit wurde der Schiffsleitung offensichtlich klar, dass diese Leute auch noch verloren zu gehen drohten, und wir wurden nun endlich doch um Hilfe gebeten. Die Bemannung war längst fest gelegt und stand bereit. Unser Boot hatte schon vorbereitet in den Davits gehangen und rauschte nur noch runter ins Wasser. An eine gezielte Suche nach dem Chief war nicht mehr zu denken. Wir hatten genug damit zu tun, den Ruckswilli weit entfernt seewärts in der Dunkelheit zu finden und auf den Haken zu nehmen. Nach ca. 1.5 Std. lieferte unser Boot ihn dann beim Mutterschiff ab und kam zurück. Das Boot hing noch nicht fest in den Davits, als der Einzylinder-Hatz ein letztes Röcheln von sich gab und "starb". Dieser schwere Anhang gegen die mörderische Strömung des Jangse war zuviel für ihn gewesen. Obwohl gerade überholt, war er wieder zum Zerlegen fällig. Der Chief blieb vermisst. War für mich schon ein beklemmendes, deprimierendes Gefühl, hilflos im Fernglas das Verunglücken eines direkten Kollegen mit ansehen zu müssen. Den Kapitän haben wir später an Land im Seemannsheim getroffen. Er hatte schon einen neuen Ltd. Ing. aus Deutschland bekommen und war fertig mit den Nerven. Der verunglückte Chief war ein persönlicher Freund von ihm gewesen; ihre Familien kamen zu Haus auch privat zusammen. Es erwartete ihn ein Strafverfahren vor dem Seegerichtshof (die DDR hatte damals solch eine Einrichtung) und er war sich sicher, nach Heimkehr sofort in den Knast zu wandern. Er erzählte uns auch, dass das verunglückte Motorboot ursprünglich für die DDR-Binnengewässer in der Umgebung von Berlin konzipiert gewesen sei und er die Reederei immer wieder auf die Erfordernis von seegängigen Motorrettungsbooten an Bord hingewiesen habe. Warum er unsere Soforthilfe abgelehnt hatte, blieb unausgesprochen. Es war ja sowieso nicht mehr zu ändern.
So war ich Zeitzeuge und Beteiligter einer traurigen Episode damaliger deutsch-deutscher Befindlichkeit. Anmerkung: Es kann sein, dass die beiden Schiffsnamen in der Schilderung verwechselt sind (nach so langer Zeit und bei identischen Schwesterschiffen).

Heizer"
Zitat Ende

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Webmaster erstellt am 22-08-2009 um 23:32 Uhr   
Moin moin, mit etwas Verspätung, aber ich will noch bekanntgeben, dass uns das von Roland am 01.08. zugeschickte Vorkommnis auf der FREUNDSCHAFT kurz darauf bestätigt wurde. Viele Grüße! Andreas
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www.TypIV-DSR.de
 

Name Nachtrag am 26.11.2020
Webmaster Von anderen Stellen wird der Unfall in alter Befindlichkeit sogar komplett negiert.
Fakten sind die vorliegende Crew-List der FRIEDEN von der Reise ab dem 29.12.1975 sowie das persönliche Wiedersehen beim FRIEDEN-Bordfest im November 2003 mit Kpt. K. und LTO M.
Wohl während eines späteren FRIEDEN-Treffens (2015?) wurde der Unfall angesprochen und als geschehen bestätigt.
Im Typ-IV-Buch von Gerd Peters (1998) ist für die betreffende Zeit 1976 auf dem MS FREUNDSCHAFT Kpt. G. angegeben. Der Unfall wird nicht erwähnt. Rolf S. nannte uns per eMail vom 5. September 2009 den LTO K. auf der FREUNDSCHAFT.
Fazit: Obiger "Heizer" hatte die Schiffsnamen tatsächlich verwechselt.

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