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Selbsttrimmender Laderaum

slr-st-223-ba08-orion.jpg
Photo made by Mr. Max Meijer-Werner on-board MV FLORENTINE OETKER,
published in THE ORION NEWSLETTER "SAIL AWAY" AUGUST 2019, received by Cpt. Donder
Massengutfrachter - Diese Schiffe sind zum Transport von Kohle, Erz und Getreide bestimmt, die immer in großen Partien verladen werden. (1)
Die Laderäume sind selbsttrimmend ausgebildet, d.h., die Räume muss man ohne manuelle Arbeit (bis auf die Reinigung) völlig beladen bzw. löschen können. Die Laderaumwände sind daher dem Schüttwinkel der Massengüter angepasst. Da auch Zwischendecks fehlen, wird erreicht, dass die Ladung den Raum völlig füllt und keine Leerräume entstehen. Andererseits rutscht die Ladung beim Löschen ständig an den schrägen Wänden entlang unter die Luken, also in den Arbeitsbereich der Sauger oder Greifer, selbsttätig nach. Die gesamte Anordnung der Laderäume ist also von den Eigenschaften der Massengüter beeinflusst. (1)
slr-st-223-ba08-jds02.jpg
Stückgutfrachter links und Massengutfrachter rechts
Die schematischen Querschnitte im Vergleich nach  (1)
Aus: www grosse-seefahrt de / forum / ladungstechnik - trimm - ...
Den Querschnitt vereinfacht in ASCII-Art: slr-st-223-ba08-ascii.jpg versuchte der User t4_fahrer zu zeigen. 30. Oktober 2008 14:57
Der User commandante schreibt dort zum "hopper shaped" selbsttrimmenden Laderaum, 31. Oktober 2008 1:17 (leicht korrigiert und angepasst):
..., ich versuche es mal, in ein wenig mehr Facetten auf den Punkt zu bringen - unter Zuhilfenahme dessen, was bereits geschrieben worden ist.

Hopper ist Trichter, wie heißen denn die selbsttrimmenden Laderäume, die oben und unten zur Verringerung der freien Oberflächen abgeschrägt sind?

Ja. Wobei wir uns aber nicht NUR auf die Verringerung der freien Oberflächen versteifen wollen, denn bei vielen Bulk-Ladungen (Erze, Klinker/Zement ... also sehr schwere Ladungen) ist die freie Oberfläche völlig egal, da ja ein Übergehen wie beim Getreide nicht möglich ist. Die Ware wird reingeschüttet und da liegt sie. Komme, was da wolle. - Man nennt diese Form auch im Volksmund daher "ERZLUKE".

Einer hat oben eine wunderbare Computer-Maling gebastelt. So sieht eine Hopper-Luke in der Tat aus. ... da sieht man das also schön, daß die "Luke" nicht wie ein rechteckiger Kasten ist, wie auf einem Containerschiff, sondern eben unten und oben abgeschrägt. Auf den ersten BLick sagt man vielleicht, das nimmt ja Stauraum weg! - Tut es natürlich, aber da wie gesagt bei schweren Massengütern die freie Oberfläche egal ist, und die Waren so schwer sind, dass der Raum ohnehin niemals voll wird, ist das also egal.

Ein weiteres Plus der Hoppers ist: Dahinter befinden sich Ballastwasser-Tanks. Das Schiff kann also, wenn es leer ist (und Bulker haben oft sehr lange Ballastfahrten), mehr Ballast nehmen, und so liegt es viel angenehmer im Seegang.

So, und nun zu den freien Oberflächen: Selbstverständlich kann ein Bulker nebst schwerer Ladung auch Getreide fahren. Wenn die freie Oberfläche des Getreides oben an den Hopper stößt, so verringert sie sich, je "enger" es oben wird, exponentiell. Das ist erwünscht, denn die Getreidestabilität ist besonders beim Laden in USA unbedingt einzuhalten.
Bei recht schwerem Getreide, sagen wir mal Reis, alle Weizenarten, Roggen, ist das auch kein Problem. Da sind die Räume auch bei so "kastrierten" Luken voll und das Schiff so ziemlich auf Marke, und mehr will man ja nicht.
Leichtes Getreide hingegen (Hafer, Sonnenblumenkerne, Raps) füllt dann das Schiff total, aber die Marke ist noch weit aus dem Wasser. Da ist also eine Hopperluke nicht unbedingt das Pralle.

Da gibt es aber noch eine Möglichkeit: Die oberen Hopper (sprich fachmännisch: die Top Side Tanks) können bei vielen Bulkern auch mit Getreide gefüllt werden. Auf dem Hauptdeck sind dann in gewissen Abständen Mannlöcher, wo man den Rüssel reinhält. An der Unterseite des Hoppers (also im Laderaum) sind dann Klappen, die man vorher öffnet. Das Getreide rieselt also beim Laden in den Top-Side Tank, dann gleich durch bis in den Laderaum, und wenn da nichts mehr geht, füllt sich der Tops Side.
Das Löschen geht sinngemäß. Man saugt aus dem Laderaum ab, und aus den Hoppers oben rieselt das Getreide nach. Allerdings: Man macht das heute nicht mehr. Es ist arbeitsintensiv, die modernen Bulker sind so berechnet, daß man das nicht mehr braucht, ... im Prinzip ist das gestorben. Aber wer einmal auf einen alten Bulker kommt und diese Mannlöcher und Klappen sieht, sollte zumindest wissen, wozu sie einmal gut waren.

Dann wurde das SELBSTTRIMMEN angesprochen. Selbstverständlich ist in der heutigen Zeit, wo Zeit mehr denn je Geld ist, auch das ein wichtiges Plus einer solchen Luke. Hafenarbeiter, die da mit Stangen den Dreck überall rauspulen, kosten Geld, und das zahlt der Charterer nicht gerne. Daher läßt sich ein Selbst-Trimmer auf dem Chartermarkt viel besser anbieten. Da wird einfach abgesaugt oder mit Greifer gelöscht, alles rieselt nach unten, und gegen Ende setzt man ein kleines Bulldozerchen rein, der das alles zusammensammelt, und weg damit. Dann kann man die Luke praktisch schon waschen, und erledigt ist der Fall.

Also selbsttrimmend soll sicherlich der Stabilität des Schiffes dienen, richtig?

Ja. Wichtig ist ja vor allem bei Getreide, daß keine Leer-Räume bleiben. Man spricht in der Getreide-Sprache von "Trimming the Ends". Je mehr das Getreide sich während des Schüttens von selber den Laderaum ausfüllend ausbreitet, umso besser. Allerdings bleiben immer Leerräume, die sogenannten ENDEN. Diese sind in den Schiffsunterlagen aufgeführt und die Momente derselben werftseitig berechnet und von der Klasse abgenommen.

Man könnte zwar beim Laden mit einem Bulldozer in die Enden hineintrimmen, aber das kostet alles Zeit und Geld. Aber das Schiff ist meist so gebaut, dass man die Enden nicht trimmen muss und die Stabilität trotzdem klar geht. Es kann aber Grenzfälle geben, wo man um jedes t-m kämpft.

Vielleicht fehlt mir ein pysikalisches Grundverständnis, aber wieso vergrößert sich die Stabilität durch abgeschrägte Laderäume?

Getreide ist im Prinzip keine feste Ware, sondern verhält sich physikalisch wie eine Flüssigkeit. Es bewegt sich also im Seegang, und je weniger der Raum ausgefüllt ist, umso mehr kann es schwabbeln. Diese Getreidebewegung hat ein Moment - das sogenannte GRAIN HEELING MOMENT - und die wirkt sich unter Umständen katastrophal auf die Stabilität des Schiffes aus.
Das Problem war schon in der Antike bekannt. Rom hat vornehmlich aus Ägypten Unmengen Getreide importiert. Keiner wird jemals zählen können, wieviele Schiffe abgesoffen sind, weil das Getreide im schlechten Wetter "übergegangen" ist, wie man so schön sagt. Vgl. auch den Fall "Pamir" ... auch da ist Getreide übergegangen.
Das Getreide legt sich also auf eine Seite, und verursacht eine Schlagseite. Die ist nie gut, und wie groß die Schlagseite maximal sein kann, das kann man berechnen, und das nennt sich dann der GRAIN ANGLE OF HEEL.

Laut Vorschrift des NCB (U.S. National Cargo Bureau), das alle Getreideverschiffungen in USA überwacht, darf der Angle of Heel nicht mehr als 12° betragen. Andere Länder handhaben es sinngemäß. Diese Berechunng muss vor Beginn des Ladens amtlich vorgelegt werden. Bei 12.01° bist Du bereits "downgeturned", und kannst nicht in die Beladung gehen.

Praktisches Beispiel, wie sich freie Oberflächen (Flüssigkeiten und Getreide) auswirken:
Nimm eine halbvolle Flasche Spülwasser z.B. Nehme sie aufrecht in eine Hand. Die freie Oberfläche wird klein sein. Bewege die Flasche hin und her. Du wirst Kräfte fühlen, die auf Deine Hand wirken, aber keine sehr großen.
Nun lege die FLasche waagerecht. Die freie Oberfläche wird sehr groß sein. Bewege die Flasche erneut, und Du wirst spüren, wieviel stärker nun Kräfte auf Deine Hand wirken.
Und genau das passiert im Schiff mit großen und kleinen freien Oberflächen. Und genau deshalb versucht man sie zu minimieren, eben auch mit den Hopper-Lukenkonstruktionen.

Ich hoffe, das war verständlich.
Besten Dank an commandante für seine ergiebige Beschreibung dieses schifflichen Details.
Ein Querschnitt für einen "hopper shaped" selbsttrimmenden Laderaum  (3)
slr-st-223-ba08-kat01.jpg
Abbildungen: Herkunft beim jeweiligen Bild mitgegeben
Quellen: (1) "Jahrbuch der Schiffahrt 1963", transpress Verlag für Verkehrswesen Berlin
(2) www.grosse-seefahrt.de/forum/ladungstechnik-trimm...dung/3396/  ...
(3) "Catalogue of Ship's Types", DSR, Rostock 1979

"Selbsttrimmender Laderaum": Seeleute Rostock e.V., August 2021
 
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