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Zu den Mannschaften

Zusammenleben der Besatzungen auf DSR-Schiffen vor und nach 1990

von Bernd Beier
2023
   
Aus: BORDGESCHICHTEN XXI, DSR-Seeleute e.V., Freiberg, 2023
Mit freundlicher Genehmigung. Danke schön!


Wird das Zusammenleben an Bord vor und nach dem Jahre 1990 beschrieben, müssen an erster Stelle die Bedingungen für die Zusammenstellung der Besatzungen angesprochen werden. Bei der Deutschen Seereederei, Rostock, erfolgte die Auswahl der Bewerber für die Handelsflotte neben den schulischen Leistungen und der fachlichen Qualifikation zusätzlich an den Heimatorten mittels "Sicherheits"-Überprüfung durch die staatlichen Organe, konkret durch das Ministerium für Staatssicherheit. Neben der Ausbildung an der betriebseigenen Ausbildungsstätte genügte in der Regel für die notwendige Qualifikation auch eine Fremdausbildung auf den Werften oder anderen Betrieben. Seiteneinsteiger mit Fremdberufen wurden als Reiniger, Motormann oder Maschinenassistent, an Deck als Decksmann und im Bereich Wirtschaft als Steward-Helfer, auch von weiblicher Natur, eingestellt. Die anfangs geltenden Bedingungen für ein weiterführendes Studium an den entsprechenden seemännischen Bildungseinrichtungen im Ostseebad Wustrow oder Warnemünde bestanden aus zwei Jahren an Fahrzeit als Vollmatrose bzw. Maschinenassistent, davon zwölf Monate Dampffahrzeit für den Bereich Maschine.
Stammbesatzungen auf den Schiffen der DSR wurden oft über Jahre in wesentlich unveränderter Zusammensetzung gefahren, was sich sehr vorteilhaft aufs Bordklima auswirkte. Der Verfasser selbst fuhr in diesem Rahmen viele Jahre auf MS FRIEDEN, dort vom Maschinenassi bis zum I. Ingenieur, und als Leitender Technischer Offizier auf MS RONNEBURG und MS FRANKFURT/ODER. Die Kapitäne und leitenden Offiziere trugen in der Regel nicht nur die Verantwortung für ihren fachlichen Bereich, sondern übten auch Einfluss auf die kulturelle und politische Freizeitgestaltung des Bordlebens, auf das soziale Miteinander insgesamt aus. Und das gestaltete sich auf den Schiffen der DSR in vielfältigster Weise durch die Eingliederung der Besatzungsmitglieder in Neuerer- und Reservistenkollektive, durch die Parteiarbeit (Parteiversammlungen, Parteilehrjahr), durch die Weiterbildung der SED-losen in der "Schule der sozialistischen Arbeit", gemeinhin als "Rotlichtbestrahlung" gewürdigt oder als "Stunde der toten Augen" von manchem wertgeschätzt. Dazu kamen die Zusammenkünfte der jüngeren Genossen als initiativreiche Kaderreserve in der Freien Deutschen Jugend (FDJ) oder die von Mitgliedern in der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF), meist in vollzähliger Besatzungsstärke, welche sich im Wesentlichen auf die beliebten Russenpartys mit Speck, frischem Brot und, nicht zu vergessen, Wodka beschränkten. Hinzu kamen die unterschiedlichsten individuellen und gemeinschaftlichen Freizeitbeschäftigungen, die im erheblichen Maße durch die Reederei gefördert wurden, sei es durch die Ausstattung der Schiffe mit einer Bordbücherei, mit Filmen und Geräten für abendliche Vorführungen in den Messen oder die Einrichtung eines Fotolabors, in dem Mitglieder des Fotozirkels ihrem interessanten Hobby nachgehen konnten. Das taten sie sehr oft nicht nur zu ihrem eigenen Vergnügen, sondern auch für die Allgemeinheit, zum Beispiel zur Gestaltung von Besatzungsbildern oder Karten anlässlich von Feiertagen, sehr oft auch zum Füllen der Seiten in der Betriebszeitung VOLL VORAUS. Nicht unerwähnt bleiben sollen die freiwilligen unbezahlten Arbeitseinsätze nach Art der sowjetischen sogenannten Subbotniks, vor allem wenn es einmal pressierte.

Und schließlich bleiben da noch die beliebten Bordfeste in der vielfältigsten Ausgestaltung als Lumpenbälle, Barabende oder anlässlich der entsprechenden Feiertage wie 1. Mai, Weihnachten, Silvester etc. in fröhlicher Runde. Last but not least bei Äquatorüberquerungen sorgten die mit viel Gaudi verbundenen Tauffeierlichkeiten für bleibende Erinnerungen positiver oder negativer Art.

Durch die von der Reederei bereitgestellten finanziellen Mittel wurden zahlreiche gemeinsame Ausflüge in den verschiedensten Häfen ermöglicht, die ein Seemann während seiner Freiwache sonst wohl kaum unternommen hätte, selbst wenn er die finanziellen Mittel dazu besessen haben sollte. Oft befand sich bei solchen Gelegenheiten die halbe Crew unterwegs. Das hatte rein gar nichts mit dem vielgeschmähten Kollektivismus zu tun. Erwähnt an dieser Stelle seien Fahrten zu den Pyramiden von Gizeh und andere antike Stätten im Mittelmeerraum oder nach Brüssel mit Besichtigung des Schlachtfeldes von Waterloo, von Rotterdam aus nach Delft zu dessen blau-weißen Fayencen oder nach Amsterdam ins Rijksmuseum zur Stadtwache von Rembrandt, unvergessliche Safaritouren in Ostafrika, Busreisen ins Hochland von Sri Lanka und zu Stätten früherer indischer Hochkulturen und schließlich streng begleitete Fahrten zu den heißen Quellen in den Bergen nahe des nordkoreanischen Chungjin. Stadtrundfahrten in Havanna, Bombay, Buenos Aires waren ebenso beliebt wie die Fahrt vom Hafen Santos nach Sao Paulo, genauso wie Bootstouren in den Backwaters von Cochin, durch das Mangrovendickicht von Port Klang, in der Bucht von Paranagua/Brasilien, durch die Sundarbans in Bangladesh, von Banjuwangi auf Java hinüber zur Insel Bali oder auf den westafrikanischen Urwaldflüssen (In jedem Seemann steckt schließlich ein kleiner Columbus und zugleich gegensätzlich ein Gärtner, der sich dort mit tropischem Gewächs für die Kammer oder daheim versorgte.), Tauchfahrten fanden im Roten Meer oder vor der kubanischen Küste statt, um nur einige zu nennen. Teilweise wurden derartige Attraktionen auch durch die örtlichen Reedereivertreter, Handelsvertretungen oder DDR-Botschaften organisiert, die sich damit für die kleinen Verpflegungspäckchen (Schwarzbrot und saure Fischchen) aus den Lasten revanchierten oder für die Einladung an Bord mit der ganzen Familie samt Kino, Kaffee und Kuchen für die Kinder und Schiffsbesichtigungen für die Erwachsenen. Es ist kaum davon auszugehen, und das sei ausdrücklich betont, dass sich bundesdeutsches Botschaftspersonal zu solchen Anlässen auf Schiffen Hamburger Reedereien sehen ließ. Das hatten die Herrschaften in vielerlei Hinsicht nicht nötig. Der Propagandarummel um die sogenannte "sozialistische Menschengemeinschaft" wurde zwar vielfach belächelt, aber an Bord wurde sie gelebt.

Um bei der Verpflegung zu bleiben, müssen unbedingt auch noch die Grillfeste an Deck erwähnt werden oder solche an Land in den südamerikanischen Häfen bei Asado- und Churrasco-Essen. Darüberhinaus seien die zahlreichen sportlichen Wettkämpfe in den Hafenstädten erwähnt, wobei es sich im Wesentlichen um Fußballspiele gegen andere Schiffsbesatzungen handelte und die damit kein Alleinstellungsmerkmal der Freizeitgestaltung von DSR-Besatzungen bedeuteten. Diese Spiele wurden bis hin zu regelrechten Turnieren ausgetragen, wie zum Beispiel im koreanischen Hafen Chungjin, um die dortigen Liegezeiten zu überstehen, oder auch in Rotterdam. Wenn man so will, können diese Matches als innerbetriebliche, vertrauensbildende Maßnahme bezeichnet werden, da Offiziere und Mannschaften, Deck und Maschine gemeinsam dem runden Leder nachjagten.

Wenn das Klima an Bord von DSR-Frachtschiffen zu beschreiben ist, spielen Frauen eine nicht unbedeutende Rolle, seien es die mitreisenden Ehefrauen oder die weiblichen Besatzungsmitglieder aus dem Bereich der Wirtschaft. Letztere bildeten das DSR-Alleinstellungsmerkmal bei der Zusammensetzung von Besatzungen auf deutschen Schiffen. Der alte Spruch, dass der von Bord bleiben solle, der nicht über die Reling pinkeln kann, wurde damit widerlegt. Im Großen und Ganzen kam es durch ihre Anwesenheit zu keinen ernsten zwischenmenschlichen Konflikten, wenn auch nicht ganz ausgeschlossen. Die Rollen Wer mit Wem waren in der Regel schnell geklärt.

Das Bordleben auf Rostocker Handelsschiffen bis 1990 in seiner speziellen Art wurde schon vielfach sowohl in den BORDGESCHICHTEN als auch an anderer Stelle beschrieben. Es ist müßig weiter ins Detail zu gehen. Heute läuft von dem oben Beschriebenen an Bord der Schiffe nichts mehr. Selbst die Kapitäne erhalten kaum noch Einladungen an Land. Früher wurden sogar "gewöhnliche" Besatzungsmitglieder zum Beispiel zu asiatischen Essen in Hongkong, Port Klang oder Djakarta eingeladen oder eben von den Agenturen in Südamerika zum reichlichen Fleischverzehr.

Das vorstehend Genannte hängt zweifellos mit der Rolle der DSR als Staatsreederei und den politischen Rahmenbedingungen im Lande zusammen. Dort wie auch an Bord war, um Charakteristisches zu benennen, der sozialistische Wettbewerb als ein Werkzeug zur Produktivitätssteigerung nicht wegzudenken. Dazu gehörten Haushaltsbuch, das Eingehen von Unfällen und Schäden in die Wettbewerbsbilanz, das Einschreiten der Konfliktkommission bei Pflichtverletzungen Einzelner, gesellschaftliche Aktivitäten, Eigenleistungen, Neuererwesen (teilweise auch -unwesen), Überstunden-, und Bereitschaftsstundenlimit und noch mehr. Teilweise wurde dieser Wettbewerb als überflüssig betrachtet, andererseits hat er die Besatzungen mit geformt. In nicht so guter Erinnerung bleibt, dass sich zum Reiseende die Zusammenkünfte häuften, denn die entsprechenden Berichte mussten erstellt werden. Alles in allem handelte es sich um eine unbeschreibliche Bürokratie. Gleichwohl muss festgestellt werden, dass diese heutzutage in anderer Form noch weit umfangreicher existiert.

In der Regel sprachen die Besatzungen stolz über ihre Schiffe, achteten auf einen gut funktionierenden "Dampfer", auf den äußeren und inneren Gesamteindruck. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden von ihnen enorme Leistungen vollbracht. Zur Verbesserung der Effektivität wurden in den Jahren 1970/71 die Komplexbrigaden gegründet. Die Meinungen dazu liefen anfangs auseinander, aber bald ließ sich feststellen, dass sich der Bordbetrieb durch die erzielte Leistung bei gleichen eingesetzten Mitteln besser gestalten ließ. Um die sozialen Bedingungen zu verbessern, wurden komplette Ablösebesatzungen eingeführt. Hierbei ging es vor allem auch um die Abgeltung der sich häufenden freien Tage. Mehrere hundert davon am Stück pro Nase waren vorher keine Seltenheit. Die finanziellen Anreize, bei der DSR zur See zu fahren, hielten sich in engen Grenzen. Gleichwohl sind diejenigen, die damals dabei waren, noch immer stolz zu dieser oder jener Besatzung gehört zu haben. Man konnte sich aufeinander verlassen. Zahlreiche Besatzungen treffen sich heute noch immer zu regelmäßigen, teils jährlichen Zusammenkünften wie zu einer Familienfeier. Auch für mich bedeutete das Schiff mein zweites Zuhause. Hier sei die Kammer auf der FRANKFURT/ODER besonders erwähnt.

Erste Erfahrungen mit ausländischen Seeleuten konnte ich auf diesem Schiff noch vor 1990 sammeln. Wir fuhren mit sechs Namibiern, zwischen 18 und 36 Jahre alt, zwecks deren Ausbildung an Bord. Man musste sich erst aneinander gewöhnen, denn es kam hier auch einmal zu einem unangenehmen Zwischenfall. Die Decksgang war außenbords mit Stellagen beim Malen beschäftigt und die Vorgängerschicht hinterließ den Schriftzug: "Hallo, hier geht es weiter, ihr Neger". Ob das nun Rassismus im klassischen Sinne war oder lediglich eine Frozzelei unter Arbeitskollegen sei dahingestellt, auf jeden Fall war es ein Politikum dieses N-Wort an die Bordwand zu malen und einfach unüberlegt.
Zur Wendezeit wurde ich zu einem Crewleasing-Einsatz auf dem VCS AQUITANIA (Erstes Schiff der Äquator-Serie von der Neptun-Werft) überzeugt. Wir arbeiteten mit Philippinos zusammen und befanden uns im Ostafrika-Einsatz. Dieser dauerte sechs Monate. Der technische Zustand des Schiffes ließ sich mit einem Naja umschreiben. Erfreulich gestaltete sich die Zusammenarbeit und das Zusammenleben mit den Philippinos. Um allen Missverständnissen aus dem Wege zu gehen, wurde extra ein Merkblatt ausgereicht. Als überaus wohltuend wurde das Minimum an Akten empfunden. Zur Kostenminimierung waren die Ressorts Maschine und Deck getrennt. Das Verhältnis des vorhergehenden LTO zur Crew ließ sich wie der technische Zustand des Schiffes ebenfalls mit Naja charakterisieren. Die Klimaanlage wurde getrennt auf Backbord- und Steuerbordseite betrieben. An Steuerbord wohnten der Kapitän und der Chief. Diese Anlage funktionierte selbstverständlich, die an Backbord nicht. Ich habe sie wieder in Funktion gebracht. Seitdem erfüllten mir die Philippinos jeden Wunsch.

Der Kapitän bestellte für sich, Chief Mate und Chief Engineer bei der Reederei weiße Kombis. Dies wurde mit der Begründung abgelehnt, uns stünden nur blaue und beigefarbene zu. Damit wussten wir wo wir stehen. Die Verpflegung lag auf einem guten Niveau, bei den Hafenan- und abläufen wurden warme Speisen gereicht. Die Kombüse war mit zwei Köchen besetzt. Hierauf legte die Firma Wert. Die beste Motivation für das Engagement der Besatzung bestand auch hier in Grillabenden, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Die Arbeitszeit betrug täglich zwölf Stunden für sämtliche Besatzungsmitglieder, ausgenommen davon der Kapitän. Alles in allem haben wir nach außen hin bei diesem besonderen Einsatz einen guten Eindruck hinterlassen. Der technische und optische Zustand des Schiffes konnte wesentlich verbessert werden.

Nach dieser Abordnung stieg ich wieder auf die FRANKFURT/ODER auf und arbeitete weiter mit homogenen rein deutschsprachigen DSR-Besatzungen zusammen. Allerdings setzte deren schrittweises Reduzieren ein. Der Eisbär und der Elektriker wurden ersatzlos gestrichen, die Aufgaben übernahmen der E-Ingenieur und diejenigen vom Eisbär der Storekeeper und der Chief. In dieser Konstellation ging es dann für mich auf den SATURN-Schiffen weiter. Ich wurde auf der MECKLENBURG eingesetzt. Die dort vorhandene überkommene IT-Technik, einschließlich der Dienstprogramme, wurden bereits nicht mehr genutzt. Das war eigentlich schade, man hatte sich daran gewöhnt. Die gesamte Bürokratie rund um die gesellschaftliche Arbeit war natürlich schon abgeschafft worden. Dafür kamen Schritt für Schritt neue bürokratische Aufgaben dazu, und die waren nicht gerade wenig im Umfang.

Mit der Ausflaggung der Schiffe nach Liberia ging der Austausch der Besatzungen weiter. Die einzelnen Offiziersränge wurden schrittweise mit osteuropäischen, indischen oder philippinischen Offizieren besetzt. Die Kombüsencrew wurde auf einen Koch reduziert. Der kam aus Osteuropa oder von den Philippinen. Gleichwohl blieb an der Qualität des Essens nichts auszusetzen. Die Funktionen des Bootsmanns und des Storekeepers wurden durch Seeleute der Kiribati- und Tuvalu-Inseln besetzt, ebenfalls die Mannschaftsdienstgrade. Deren seemännische Ausbildung betrug auf ihrer Insel nur ein Jahr. In der Seefahrtschule auf Kiribati gibt es dafür lediglich Rettungsbootsanlagen mit Freifalldavit und üblichem Davit, Brandbekämpfungseinrichtungen und einen kleinen Dieselmotor. Die Hauptaufgabe dieser Lehreinrichtung ist die Disziplinierung der Schüler für den Bordbetrieb, da der Lebensrhythmus auf den Inseln nicht vergleichbar mit dem unserer Industrieländer ist. Es war teilweise erstaunlich wie schnell sich unter diesen Voraussetzungen die meisten der Insulaner gute Kenntnisse und Fertigkeiten angeeignet haben. Ein Motormann namens "Mr. Molu" kaufte sich jede Reise in Hongkong elektrische Kleingeräte wie Bohrmaschine, Motorsäge usw. Später erfuhr ich, dass er auf seiner Insel einen eigenen Servicebetrieb aufgemacht hat.

Als die 2700-TEU-Schiffe in Dienst gestellt wurden, (TEU - Twenty-foot Equivalent Unit - Maß für die Kapazität von Containerschiffen) hieß das Ziel mit Minimalbesatzungen noch unter deutscher Flagge zu fahren. Die Brücken wurden dazu für den Ein-Mann-Betrieb nachgerüstet. Das hat sich später aber erledigt, da auch diese Frachter ausgeflaggt wurden. Die Schiffe waren zwar moderner, aber die Schäden und Ausfälle an den Anlagen lagen auf hohem Niveau, trotz großer, bekannter Namen der Hersteller. Wir haben in Größenordnungen Zylinderköpfe gewechselt wie auf den Typ lV-Schiffen die Kolben gezogen wurden. Das meiste änderte sich an der Funktion des Kapitäns. Auf Grund der neuen technischen Möglichkeiten hatte er die gesamten funkbetrieblichen Aufgaben zu übernehmen. Hinzu kamen die Bestellungen für die Kombüse, die Lohnauszahlung für die Ausländer und die Bordkasse allgemein. Befand sich das Glück auf meiner Seite, wurde ab und zu ein deutscher E-Ing. und ein Schiffsmechaniker gefahren.

Auf den 2700-TEU-Schiffen existierte nur eine Messe, die gemeinsam von Offizieren und Mannschaft genutzt wurde. Aber Schritt für Schritt setzten sich unsere Insulaner in die Schwarzmesse ab. Sie wollten schlicht unter sich sein. Durch den vollkommen anderen Arbeitszyklus ließ sich die Freizeit einfach nicht mehr sinnvoll gestalten. Natürlich gab es auch hier eine Bücherei, einen Sportraum, ein Schwimmbad, eine Sauna und einen Tagesraum. Einrichtungen, die auch genutzt wurden. Vom Reeder wurden auch Gelder zur Anschaffung von Musikinstrumenten oder Sportgeräten bereitgestellt. Aber wie bereits angedeutet, die beliebtesten gemeinsamen Veranstaltungen hießen Grillabende, bei denen auch gesungen oder Instrumente gespielt wurden. Karaoke-Abende erfreuten sich auch größter Beliebtheit. Die christlichen und staatlichen Feiertage wurden gemeinsam zelebriert. Teilweise konnten auch Stammbesatzungen in bestimmten Funktionen gefahren werden, abhängig von Kapitän und LTO.

Auch während dieser Phase gab es erwähnenswerte Ereignisse. Wir befanden uns westgehend im Atlantik unterwegs und der Kapitän teilte mir mit, dass wir vier Stunden "Lose" im Fahrplan hätten. Wir dürften daher an der Hautmaschine arbeiten. Also machten wir Kolbenkontrolle. Auf der Reise fuhr ein Lehrer der Seefahrtsschule Cuxhaven mit, der eine Dokumentation für die Fehlersuche an Schalttafeln für seine Studenten erstellt hat. Die Motormänner motivierte ich zum Angeln und deutete an, wenn wir beizeiten mit der Kontrolle fertig würden, könnten zwei Mann hoch gehen und die Angel auswerfen. Also flott, flott und der Kommentar des Dozenten lautete: "Herr Beier, das geht ja bei Ihnen ab wie in einer Fabrik". Die Motorleute holten zwei junge Haie aus dem Wasser und zeigten sie mir ganz stolz. Am Abend luden sie mich zu einer Haifischsuppe ein. Die war aber nicht ganz nach meinem Geschmack.

In bestimmten Häfen gab der Kapitän dem Bordvertreter Geld für Fischeinkauf auf dem Markt in die Hand. Abends wurde dann gegrillt. Mit solchen kleinen Gesten konnten die Stimmung und das Bordklima günstig beeinflusst werden. Zeitweise fuhr ich als einziger Deutscher an Bord und arbeitete auch mit einem estnischen und einem ukrainischen Kapitän zusammen, was problemlos lief. Die Ausgabe von Alkohol wurde unterschiedlich gehandhabt. Offiziere bekamen in der Regel wöchentlich Bier und auch harte Getränke. Die Mannschaften erhielten nur Bier. Manche Kapitäne wollten für die Mannschaften überhaupt kein Bier herausgeben. Das war nicht unbedingt klug. Andere verhielten sich zu großzügig. So ereigneten sich auch ernste Vorfälle, wie das Aufbrechen der Bierlast oder einen Todesfall durch eine Messerattacke. Der Verletzte wurde einfach liegen gelassen und verblutete, weil keiner der Anwesenden Hilfe holte. Der Kapitän kündigte daraufhin nach der Reise. Man muss allerdings gestehen, dass es auch zu DSR-Zeiten ähnliche Vorfälle gab.

Das Zusammenleben und Zusammenarbeiten mit den verschiedenen Nationalitäten auf engstem Raum war aber in der Regel respektvoll und freundlich. Die Qualifizierung der Offiziere lag auf sehr unterschiedlichem Niveau. Jene aus den osteuropäischen Ländern und aus Indien waren in der Regel sehr gut für ihre Tätigkeit qualifiziert. Bei den Philippinos lag die Sache etwas anders. Teamwork gestaltete sich teilweise schwierig. Einige Offiziere vertraten die Auffassung: "Ich habe ein Patent, kann alles und weiß alles". Wir hingegen hatten aus unseren früheren Tagen die Mahnung mitgenommen, dass nach Abschluss der Lehre oder dem Studium das Lernen erst richtig losgehe, entsprechend des Einsatzes. Zunehmend wurde auch versucht, Machtansprüche entsprechend der Zahl der unterschiedlichen Nationalitäten an Bord geltend zu machen. Gleichwohl war bei gutem Willen von allen Seiten eine fruchtbare Zusammenarbeit durchaus möglich. Gemeinschaftliche Ausflüge wie einst auf DSR-Schiffen waren auf Grund der kurzen Liegezeiten, des Arbeitszyklus und der Sicherheitsbedingungen in den Häfen nicht mehr durchführbar. Individuell konnten sich das einige Offiziere entsprechend der Liegezeit immer noch ermöglichen. So unternahmen wir einmal eine Ausfahrt unter Polizeischutz von Port Said nach Kairo oder ich fuhr von Port Klang nach Kuala Lumpur.
Aber mit DSR-Zeiten war und ist die Seefahrt nicht mehr vergleichbar, auch wenn wir manchmal beklagen mussten, zu viel betreut zu werden. Heute ist der Beruf des Seemanns lediglich ein Job wie jeder andere, das Mittel zum Geldverdienen.
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Wir danken dem DSR-Seeleute e.V. Freiberg und der Redaktion der BORDGESCHICHTEN für die mitreißende Buchreihe über unsere Seefahrt durch all die Jahre!
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"Zu den Mannschaften": Seeleute Rostock e.V., 13.12.2023

   

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  21.12.2023  
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