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www.seeleute-rostock.de/content/sailorscab/stories/25/60kubikmeter.htm |
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Ingo Kerber, Schwarzenberg
Dunkerque -- Dover
Von einem Trucker über eine stürmische
Kanal-Querung
Dezember 2011
Nun ist es mir ja zu DDR-Zeiten nicht vergönnt
gewesen, bei der DSR zur See zu fahren, und so wurde ich LKW-Fahrer,
sozusagen "Kapitän der Landstraße". Nach der Wende fuhr ich
dann im internationalen Fernverkehr unter anderem einen SILO-Sattelzug
der 60-Kubikmeter-Klasse. Die Touren der letzten 6 Jahre bis 2012 führten
mich dann hin und wieder nach England oder Schweden. Wir fuhren mit den
Reedereien DFDS und Scandlines.
Es war meistens schönes Wetter auf See. Doch auch eine steife Brise
fehlte nicht. Und so trug es sich zu, dass ich mit meinem LKW am 12.
Dezember 2011 gegen 18 Uhr bei starkem, böigen Wind beim
Check-in-Container der DFDS Seaways in F - Dunkerque - mein Ticket
holte. Gegen 20 Uhr ging es auf die Fähre, parken und Abendbrot essen.
Die Speisen waren von der Qualität wie immer durchschnittlich, aber
ausreichend. Jedoch ist es die Wahrheit - Engländer können nicht
kochen.
Die Leinen wurden losgemacht und die Überfahrt begann. Die See war
unter Land noch einigermaßen ruhig, was sich jedoch mit jeder weiteren
Meile änderte. Es war ja schon finster, und man konnte durch die großen
Fenster des Restaurants die Positionslichter anderer Schiffe sehen, die
immer von unten nach oben wanderten, da das Schiff immer stärker
rollte. Eine solch starke Krängung hatte ich bis dahin noch nicht
erlebt. Aus irgendeinem Grund wurde es mir nicht übel, die
Seekrankheit blieb zum Glück aus. Für die Fahrt von Dunkerque nach
Dover in England benötigte die Fähre diesmal schon eine Stunde länger
als sonst. Viele andere Fahrer standen auf dem Bootsdeck an der Reeling
und ließen sich ihr Abendbrot noch einmal durch den Kopf gehen...! Ich
hoffte, immer schön nach Lee...!
Es herrschte große Erleichterung, als die Lichter der Hafeneinfahrt
von Dover in Sicht kamen. Doch Rasmus hatte noch so einiges mit uns
vor. Der Hafenkapitän ließ mit rotem Licht die Einfahrt sperren. Wir
lagen also auf Reede auf unbestimmte Zeit. Der Kapitän der Fähre
drehte das Schiff in den Wind, damit das Rollen schwächer wurde. Und
so trieben wir nun vor Dover. Wir Fahrer machten es uns in der
Drivers-Lounge mehr schlecht als recht bequem. Schlafen konnte jedoch
keiner. Beruhigend wirkte, dass man das Laufen der Maschine hörte. Der
Anker wurde jedoch nicht zu Wasser gelassen.
Irgendwann früh gegen 7 Uhr englischer Zeit leuchtete von der
Hafeneinfahrt plötzlich grünes Licht herüber, der Kapitän bot dem
Wind wieder die volle Breitseite, und Rasmus nahm die Herausforderung
an! Die sonst so breit wirkende Hafeneinfahrt wurde auf einmal immer
enger, der Bug schlingerte zwischen Steuerbord und Backbord bedrohlich
hin und her. Dazu rollte das Schiff wieder ziemlich stark, und ich
malte mir in Gedanken aus, wie es wohl auf dem Parkdeck aussehen würde
zwischen den schwankenden LKWs. Plötzlich hat man da Gedanken an die
hoffentlich angezogene Betriebsbremse!!! Zu diesem Anlegemanöver
gesellten sich noch 3 oder 4 Bugsierschlepper des Hafens und das sonst
so elegante Anlegemanöver bekam eine dramatische Note. Schließlich
fuhr man dann erleichtert vom Schiff.
Mir wird diese Sturmfahrt noch lange in Erinnerung bleiben. Euch
Seeleuten wird dieses Erlebnis einer Landratte sicher nur ein müdes Lächeln
entlocken. Ich will Euch hiermit jedoch auch meine Hochachtung ausdrücken!
Und wünsche Euch allen weiterhin immer eine Handbreit Wasser unter dem
Kiel! Ahoi! Euer Hochseefernfahrer Ingo Kerber |
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Hier eine Auswahl aus
Ingos Fotos von dieser Relation (mittelgroße lassen sich vergrößern):
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Eine Hand am Lenkrad und mit der anderen ... die "Dunkerque
Seaways"
Fotos: Ingo Kerber, Schwarzenberg, 2010 bis 2012 |
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Zur Person: Ich
habe [früher] W50 gefahren. Manche regten sich auf über
die Geschwindigkeit am Berg ... ich nutzte das positiv! Während der
W50 sich den Berg hoch quälte, machte ich halt Frühstück. Mit dem
heutigen LKW-Fahren ist das leicht, so mit Lenkhilfe und allem Pipapo.
Die Bürschchen, die heute das Fahren lernen, wissen doch gar nicht,
was LKW-Fahren ist ...! Und dann die Disziplin "Hamburger
Innenstadt" - was für Jungs mit Nerven und Können, da hab ich
auch schon geschwitzt, als ich in einer Fußgängerzone an einer
Baustelle Zement ausblasen durfte durch die Schläuche. Fast genauso
lustig ist Köln, aber ich habe dann halt auch mal nach England oder
Schweden fahren dürfen, da waren die Strapazen vergessen. Mal war ich
an der Atlantikküste in Frankreich hinten bei St. Malo und stand dann
am Wochenende in Le Havre am Hafen. Oder auch hatte ich mal 'ne Tour
nach Granada in Südspanien, von dort wären es noch 2 h bis zur Fähre
nach Tanger gewesen ...! Das waren schöne Touren gegenüber früher,
als man von Karl-Marx-Stadt nach Gera fuhr ....
Ingo Kerber, Schwarzenberg |
Herzlichen Dank an Ingo für seine stürmische
Kanal-Querung,
die wir nur zu gerne in unser Archivarium übernahmen!
Fotos: Ingo Kerber, Schwarzenberg
Details zur "Dunkerque Seaways"
"Dunkerque -- Dover": Seeleute Rostock e.V.,
August 2013
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06.01.2015 |
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"Tradi" - Fakten
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