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Hans Anders, Leipzig

Kann man einen 10.000-Tonner mit einer Hand
manövrierunfähig machen? – Man kann!

Unser Internet-Kurztitel: Full stop - einhändig!

Erschien auch in den "Bordgeschichten VIII",
DSR-Seeleute e.V., Freiberg, 2009, www.seeleute.de fremdlink.gif.

Hans Anders' Geschichte, von Manfred Brümmer, Schauspieler am Theater Schwerin, gelesen und
sachte vertont, war ab 01.12.2012 in der Wasserhalle im neuen phanTECHNIKUM Wismar zu hören.


Es geschah auf einer Reise mit MS „Dresden“ (dem heutigen "Tradi" in Rostock-Schmarl). Sie führte von Oktober 1960 bis März 1961 von Rostock über Polen, Frankreich, England, Ägypten, Malaya (ab 1963 Malaysia) nach China.

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Die Kraftstofffilter eines Hilfsdiesels
Ich fuhr als Maschinenassistent. Unsere Aufgabe bestand in der Überwachung, Wartung und Pflege der Technik, vorrangig im Bereich des Maschinenraumes. Eines Tages erhielt ich vom Wachingenieur den Auftrag, die Kraftstofffilter der Hilfsmaschinen, die die Generatoren für die Stromversorgung antrieben, zu reinigen. Ergänzend sei erwähnt, dass auf Marschfahrt der Energiebedarf so groß war, dass zwei der drei Hilfsmaschinen / Generatoren benötigt wurden. Jede Hilfsmaschine hatte zwei Filter, die durch einen Dreiwegehahn verbunden waren, um auch bei laufendem Betrieb jeweils einen Filter abschalten zu können.

Ich machte mich also an die Arbeit und drehte diesen Hahn, um den zu reinigenden Filter aus dem Kraftstoffzulauf zu nehmen – allerdings mit einem falschen Schlüssel. Ich rutschte ab und der Hahn stand schließlich so, dass beide Filter abgeschaltet waren! Vielleicht lag es an meiner Ungeschicklichkeit oder aber an meinem Zustand durch die Seekrankheit, die mich wieder einmal plagte, oder aber an beidem. (Ich gehöre übrigens zur Kategorie III der Seekranken. Kategorie I: Seekrank - was ist das? Kategorie II: Man gewöhnt sich langsam daran. Kategorie III: Bei jeder Schaukelei hundekotzübel ...)

Auf jeden Fall bekam der Diesel keinen Sprit mehr. Die Drehzahl fiel ab. Das Schaltschütz kam, übertrug die Last auf die andere Hilfsmaschine. Die war daraufhin natürlich überlastet. Auch ihr Sicherheitsschalter knallte raus. Aus! Nur noch die Notbeleuchtung brannte. Keine Kühlung, keine Schmierung für die Maschine, kein Strom für die Ruderanlage etc. Die Hauptmaschinen mussten per Hand abgeschaltet werden! Das Schiff war manövrierunfähig!! Und das alles in der Inselregion der Philippinen, in der ein gutes Manövrieren – nicht nur wegen der vielen kleinen Fischerboote – ganz wichtig war.

Eine ungewohnte Stille folgte ... Nur das Brückentelefon schrillte ... Dann donnerten schnelle Schritte über die Plattengänge, Kommandorufe ertönten, Pressluft zischte: Die Hilfsdiesel und die Hauptmaschinen wurden wieder angefahren. Mir fiel ein Brocken vom Herzen, das inzwischen in der Hose hing. Dank der Umsichtigkeit meiner Kollegen liefen nach wenigen Minuten, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, alle Maschinen wieder normal. Ich war wie geschockt und erwartete nun, dass man mich kielholen wird. Zumindest aber eine mächtige Disziplinarstrafe oder eine „Abreibung“ durch den Alten oder den Chief. Aber wie es im Leben manchmal so ist: Es passierte genau das Gegenteil, nämlich nichts!! Lediglich der Wachingenieur ließ sich berichten, wie das denn so passiert ist – und ließ mich kopfschüttelnd stehen. Dafür durfte ich mir dann aber in der Mannschaftsmesse von der Decksgang einiges anhören ...

Es gab jedoch noch ein Nachspiel. 1985 veranstaltete das Fernsehen der DDR eine Unterhaltungssendung mit dem Moderator Hans Joachim Wolfram („Außenseiter, Spitzenreiter“) unter dem Titel: „Wer hat den größten Bock geschossen?“. Hier sollte meine Geschichte noch einmal ein Rolle spielen. Die Veranstaltung wurde am 20.09.1985 in Suhl aufgezeichnet: Ich berichtete von diesem Zwischenfall, man amüsierte sich, Beifall. Die Sendung ging dann einige Tage später über den Sender – aber wo war die Geschichte von der „Dresden“? Ich recherchierte telefonisch beim Fernsehfunk, warum diese Szene rausgeschnitten wurde. Dort eierte man herum: Herr Wolfram hätte mich zu oft unterbrochen, die Geschichte sei nicht klar genug „rübergekommen“ etc. Aber irgendjemand ließ dann doch den wahren Grund durchblicken:   Man konnte schließlich der Welt nicht mitteilen, dass ein „sozialistisches“ Schiff mit einem einzigen Handgriff manövrierunfähig gemacht werden kann ... Die Angst um das Image der DDR trieb schon manche Blüten.

Herzlichen Dank an Hans für seine Story und Fotos!

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Auf dem „Tradi“ gibt es diesen Jockel nebst Kraftstofffiltern noch immer anzuschauen.
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Fotos: Hans Anders, Leipzig


"Full stop - einhändig!": Seeleute Rostock e.V., Januar 2009

   

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  24.09.2015  
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Tradi?
"Tradi" - Fakten
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