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www.seeleute-rostock.de/content/sailorscab/stories/11/tierisches.htm |
| SlR.sc11 [19.F4] |
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Stephan Bohnsack, Rostock
Tierisches auf See
Papagei biss Funker
Erschien unter "Papagei beißt
Funker" in den "Bordgeschichten IX",
DSR-Seeleute e.V., Freiberg, 2010, www.seeleute.de . |
So hätte eine Schlagzeile in der VOLL VORAUS lauten können,
hätte die ein BILD-gerechteres Format besessen. Seefahrt war immer
aufregend, ließ den Besatzungen sogar freien Raum, kleinen Hobbys zu
frönen, wie Basteln, Lesen oder sich mit anderen Dingen zu beschäftigen.
Dazu konnten auch Tiere gehören, die irgendwie und in irgendeinem
Hafen der Welt an Bord gelangten, der Besatzung lieb wurden und dann
mitreisten. Persönlich habe ich auf diese Weise einige Tiere mit
Seebeinen kennen gelernt, vom Kätzchen über Hund und Affe bis hin zum
bunten Papagei. Gefeit war wohl kaum einer der Seejungs gegen die Anhänglichkeit
und die Freude, die diese „Besatzungsmitglieder“ bereiten konnten.
Wir lagen mit der BERLIN (vgl. Typ-IV)
wochenlang im Hafen von Havanna und warteten auf Ladung, die aus
Zucker für Hamburg bestehen sollte und aus verschiedenen Landesteilen
zusammengeholt werden musste. Die Transporte trafen aber nur „tröpfchenweise“
ein. So bekamen wir viel Gelegenheit, die Stadt und ihren berühmten
weißen Strand in Santa Maria zu erkunden und auch Menschen kennen zu
lernen. Letzteres war das Leichteste. Auf Schritt und Tritt wurden wir
auf Tauschgeschäfte angesprochen.
Eines Tages saß er da, mitten auf unserem Schiff, der bunte,
kreischende Papagei, Ergebnis eines erfolgreichen Geschäftskontaktes
und nun die Sensation an Bord, zu der man gern nach dem Dienst
pilgerte. Ein zwei Meter langes Kupferrohr - auf Kuba Mangelware -, war
sein Tauschpreis gewesen. Ein Geheimnis, das an Bord jedoch bald jeder
kannte und hütete. Der Papagei lebte sich gut ein. Futter bekam er in
Unmengen. Jeder brachte bei seinen Besuchen immer etwas Obst mit und an
Gesellschaft hatte er so auch keinen Mangel. Jeder wollte sein Freund
sein und buhlte oft auf papageiisch um die Aufmerksamkeit des
Buntgefiederten. Der tat dabei immer sehr erstaunt. Allerdings liebte
er es nicht, wenn man ihm zu nahe auf die Pelle, oder besser auf die
Federn rückte. Dann hackte er.
Eines Tages, an einem Vormittag passierte es. Alle waren mit ihrem
Tagewerk beschäftigt, der Papagei schaukelte auf seinem Gestänge in
der Sonne, nur unser Funker hatte gerade ein wenig Zeit. Die nutzte er,
um dem Papagei seine Referenz zu erweisen. Er war zu dieser Stunde ganz
alleine mit dem Buntgefiederten. Der wurde durch das papageiische
Kauderwelsch des Funkers aus seiner Lethargie gerissen. „Ein verrückter
Kerl“, mochte er sich denken, aber er ließ ihn gewähren. Der Funker
freute sich kindisch über seinen plötzlichen papageiischen
Wortschatz, den er mit allerlei Grimassen zu verschönern suchte,
allerdings wohl selbst nicht deuten konnte. Aber er war ja der Funker
– bei dem konnte es sowieso keiner so genau wissen. In seiner Verzückung
ging er immer näher an den bunten Vogel heran. Wollte er ihn gar
umarmen? Dem Buntgefiederten wurde es jetzt bunter als er selber war.
Er kreischte laut, schlug mit den Flügeln und als alles nichts half,
setzte er schließlich die Hauptwaffe ein – seinen Schnabel. Damit
knackte er sonst spielend Nüsse – jetzt erwischte er den Funker
blitzschnell an der Brust und hackte wohl recht kräftig zu. Der
erstarrte vor Schreck. Der Schmerz folgte erst etwas später mit der
Vorsorgespritze des Schiffsarztes und den blutstillenden,
desinfizierenden Tinkturen. Natürlich wusste bald die ganze Besatzung
von diesem „Vorkommnis“ und näherte sich dem bunten Gefieder ab
sofort mit größtem Respekt. Gottlob, der Schnabel traf den Funker und
keine Funkerin.
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Herzlichen Dank an Stephan für
seine Kurzgeschichte, die sich 1970 auf
der "Berlin" (1), auf der Überfahrt von Havanna nach
Hamburg, zutrug.
Grafiken:
"ABC_of_Pics", 50.000 lizenzfreie Cliparts, (c) 2006 -
Franzis Verlag GmbH, Poing, Germany
"Papagei biss Funker": Seeleute Rostock e.V., Juli 2010 |
Ein Seekätzchen auf Großer Fahrt
Ebenfalls erschienen in den
"Bordgeschichten X",
DSR-Seeleute e.V., Freiberg, 2010, www.seeleute.de . |
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Mit Tieren an Bord war
es schon so eine Sache. Erst wollte sie keiner, dann betätigten sich
alle als deren Retter, und nach einer bestimmten Zeit verwöhnte sie ein
jeder. Unser Kätzchen in spe, schwarz-weiß gefärbt, hatte sein Revier
vor einem der typischen Lagerschuppen im Hafen von Havanna.
Ausgehungert, unterernährt, mutterseelenallein und jeden
vorbeikommenden Menschen mit lautem Mauzen daran erinnernd, dass sie
auch noch auf der Welt und es Zeit für eine Futterspende sei. Sie habe
schließlich Hunger. Das Kätzchen schien nicht dumm, denn es postierte
sich genau an dem Weg, den jeder Passant des Hafentores auf dem Weg zum
Schiff oder zur Arbeit in den Lagerschuppen nehmen musste, so auch die
Jungs unseres Schiffes BERLIN (vgl. Typ-IV).
Sturm- und
arbeitserprobt wie Seeleute waren, meisterten wir gemeinsam bereits
viele kritische Augenblicke auf den Meeren. Und jetzt diese
Herausforderung, ein bettelndes, ausgehungertes Kätzchen, ganz alleine
in der dunklen Tropennacht. Mit einer solchen Herausforderung hatte nach
den lustigen Stunden zwischen Rumba und „Bacardi“ in der „El
Conjechito“-Bar keiner gerechnet. Eine Ernüchterung, der die Jungs
nicht gewachsen waren. Am nächsten Morgen war das Ergebnis dieser nächtliche
Begegnung dann auch für alle Besatzungsmitglieder deutlich sichtbar an
Bord anwesend.
„Runter vom Schiff“,
so die erste Reaktion des Alten. „Aber nicht in diesem Zustand, wir päppeln
sie erst auf“, so unsere heimlichen Gedanken, sozusagen als
selbsternannte „Schiffstierpfleger“. Die nautischen Offiziere lebten
sowieso in den vorderen Aufbauten, Maschinen- und Deckspersonal aber in
den Aufbauten des Achterschiffes. Das Kätzchen bekam hier freien
Auslauf, liebevolle Pflege und Futter ohne Ende. Jetzt war auch in ihrem
Leben die Sonne aufgegangen. Die Besatzung hatte einen neuen
Spielkameraden, zu dem sich später auch noch ein armes Hündchen und
ein vorlauter Papagei, diesmal allerdings im Vorschiff, dazugesellten.
Der Alte schluckte es. Er übersah und duldete letztendlich diese
Menagerie. Die Besatzung tat alles, um die „Seetiere“ gut und
reibungslos zu betreuen sowie Belästigungen der mitreisenden Passagiere
oder der Seetier-Gegner durch sie zu vermeiden. Artgerechte Haltung,
sagt man heute. Damals war uns dieser Begriff noch unbekannt.
„Seehund“ und „Seekatze“ machten uns Seeleute glücklich, wenn
sie unsere Backskisten zum Schlafen erwählten oder zum Spielen in einer
der Kammern erschienen. Wo Trubel war, da waren auch sie. Auch ich
freute mich immer über den Besuch der Seetiere.
Die Katze kam während
einer bestimmten Zeit immer häufiger zur mir. Ich besaß eine große
Kammer für mich und meine Pflanzensammlung ganz alleine und war
vielleicht aus Sicht des Kätzchens ein angenehmer Zeitgenosse. Eine große
Holzkiste, die ich bis zum Rand mit Blumenerde gefüllt und mit
exotischen Pflanzen bepflanzt hatte, stand in der Mitte des Raumes. Bei
längeren Liegezeiten und bei anderen sich bietenden Gelegenheiten
brachte ich immer irgendwelche Pflänzchen von Land mit, die hier eine
neue Heimat finden sollten. Eines Tages bemerkte ich aber ausgerechnet
in meiner Kammer einen beißenden, etwas penetranten Geruch. Gammelten
irgendwo Lebensmittel oder Früchte? Tagelang suchte ich ergebnislos
nach der Ursache, bis ich geheimnisvolle Spuren entdeckte - genau in
meiner Blumenkiste. „Artgerecht“ mochte das Kätzchen gedacht haben
und versenkte gerade verdautes Futter in einer Kuhle, natürlich mitten
in meinen Anpflanzungen und in einem Moment, als ich herein kam.
Jeder sorgte für Tierfutter - wo es aber dann nach
der körperlichen Verwertung blieb, darüber machte sich keiner
Gedanken. Ab sofort bekam das Kätzchen seine eigene Kiste, angefüllt
mit geeignetem Streumaterial. Trotzdem blieb ihre Liebe zu meinem
Blumenparadies für den Rest der Reise erhalten, falls ich vergaß, das
Schott zu schließen, oder ein Spaßvogel es extra nur anlehnte, was
auch einige Male vorkam. Dann entleerte sich das Kätzchen liebevoll
inmitten meiner Pflanzen, um sich anschließend auf meiner Backskiste
von den Anstrengungen einer Seekatze auf Großer Fahrt zu erholen. Ich
verzieh es ihr. |
Herzlichen Dank an Stephan für
seine Kurzgeschichte, die sich auf der
"Berlin" (1), auf der Überfahrt von Havanna nach Hamburg,
zutrug.
Foto: Stephan Bohnsack, Rostock
"Kätzchen auf Seereise": Seeleute Rostock e.V., Februar 2011 |
Mit Froschschenkeln über den Atlantik
- wie Seeleute zu Feinschmeckern wurden -
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Niemals vorher wäre ich auf die Idee gekommen,
Froschbeine zu essen, und das sogar noch mit Appetit. Aber, "in der
Not frisst der Teufel Fliegen", so lautet ein bekanntes Sprichwort,
doch Froschschenkel waren keine Fliegen.
Unsere Reise nach Kuba
sollte drei Monate dauern - also einmal über den Atlantik, Zucker laden
und wieder zurück. In Rostock wurden wir dementsprechend und sogar für
etwas mehr Reisezeit mit Proviant ausgerüstet, und schon ging es los,
zur Zuckerinsel, in die Karibik. In Havanna ankommen, Ladung löschen -
alles klappte wie am Schnürchen. Dann wollten wir die süße Ladung für
Europa übernehmen, aber damit begannen die Probleme. Der größte Teil
der Ladung war noch nicht im Hafen. Den Zucker brachten alte, klapprige
Lastautos von der ganzen Insel in den Hafen direkt vor unser Schiff.
Entladen, zurückfahren und neue Ladung holen, so war ihr
Arbeitsrhytmus. Aber wieviele Lastwagen mussten über die Insel rollen,
um den Bauch unseres Schiffes füllen zu können? Es würde auf diese
Art noch Monate dauern. Die Rückreise verzögerte sich offensichtlich,
bis die Ladung im Schiff komplett war, also fuhren wir ihr entgegen. Ein
halber Tag und die Anker gingen auf Reede von Matanzas zu Wasser. Hier
wurde die Ladung mit Leichtern an das Schiff gebracht und mit unserem
Ladegeschirr übernommen. Alles dauerte, aber uns störte das eigentlich
nicht. Karibisches Flair - was könnte da überhaupt stören?
Unser Chefkoch sah das allerdings anders, denn die Vorräte nahmen ab.
Seine Kochkunst und überhaupt die ganze Versorgung an Bord waren doch
Stimmungsdynamo, und wenn er nichts mehr zu kochen hätte? Die Vorräte
an Kartoffeln, Fleisch, Fisch und Gemüse schrumpften, und ihm blieb später,
in Havanna, nur noch der Gang zum Schiffsversorger. Nach der Übernahme
der Teilladung vor Matanzas ging es nämlich wieder zurück nach
Havanna, wo sich inzwischen ein großer Teil der Ladung, aber noch immer
nicht der gesamte Rest, zur Übernahme angehäuft hatte. Es würde aber
noch weitere Verzögerungen geben. Des Chefkochs Hauptproblem: Wieviel
und was soll er einkaufen, wenn doch keiner weiß, wie lange man hier
tatsächlich noch brauche, und wann endlich die Rückreise angetreten
werden könne. Eine schwere Sache. Das Problem wurde für ihn aber noch
größer, als er das Angebot des kubanischen Schiffsversorgers sah, das
mit seinen Wünschen und Vorstellungen überhaupt nicht übereinstimmte.
Immerhin bestand die Besatzung aus 56 Personen, und laut Küchenrolle
sollte er pro Person pro Tag 3.900 kcal bieten.
Kartoffeln und Geflügel und Fleisch gab es beim Schiffsversorger gerade
nicht, Fisch auch nur wenig, dafür aber Reis, Gemüse und Obst,
allerdings nur strohige, kubanische Orangen, die nicht sehr beliebt
waren. Etwas gab es da aber in ausreichender Menge: Schenkel vom
Ochsenfrosch...
Der Ochsenfrosch - Rana catesbeiana - bekam
seinen Namen nicht wegen seiner Größe, sondern wegen seines
ochsenähnlichen Gebrülls, das sogar zwei Kilometer weit hörbar
sein soll. Die Kopf- und Rumpflänge des Weibchens erreicht bis
20 cm, die Hinterbeinlänge bis 25 cm. Das Männchen ist etwas
kleiner. |
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Ist die Haut erst mal abgezogen und die Unterschenkel entfernt, sehen
die Froschbeine, ganz egal ob vom amerikanischen, afrikanischen, oder
asiatischen Frosch, wie Geflügel aus, schmecken auch so und sind sogar
fast so groß wie Hähnchenschenkel. Ochsenfrösche wurden zu jener Zeit
(1970) in Farmen auf Kuba zum Verzehr gezüchtet... Kaufen, oder nicht?
Das war jetzt die Frage. Ein Risiko bestand in der eventuellen Ablehnung
der Froschbeine durch die Besatzung, aber das musste er in Kauf nehmen,
was blieb ihm weiter übrig?
Also gab es an Sonntagen und an Seemannssonntagen (Donnerstag) auf See
gebratene, duftende und sehr leckere Keulchen, immer mit Mixreis. Der
Reis war nach kubanischer Art mit schwarzen Bohnen gemixt. Individuell
wurde er durch uns stark oder manchmal gar nicht gepfeffert und Butter
auf ihm zerlassen. So wurde er auch ohne Fleisch zum wahren
Feinschmeckererlebnis, auf das der Chefkoch am Ende der Reise stolz war.
Zunächst war er aber ganz schön nervös, denn die Froschbeine wurden
vorerst von allen sehr skeptisch betrachtet, und als Chefkoch musste er
offen zugeben, dass es sich nicht um Geflügel, sondern um Froschfleisch
handelte, was da so lecker gebrutzelt, knusprig auf dem Teller lag und
sehr angenehmen Duft verbreitete. Franzosen und Italiener wären
begeistert, aber die Besatzung bestand nur aus Deutschen, bei denen
damals sogar der Mixreis den Hauch des Exotischen hatte. Der
Ochsenfrosch als Lebensmittel war bei Deutschen noch nicht angekommen. Hätte
er Hähnchenschenkel auf den Speiseplan geschrieben, wäre es kaum
jemandem aufgefallen, und ausnahmslos alle hätten Froschfleisch
gegessen. Nun aber waren es die Keulen von Ochsenfröschen. Früher, so
historische Überlieferungen, aßen die Besatzungen in Notsituationen
sogar faules Fleisch, gefangene Ratten usw. und überlebten dennoch,
also warum sollten wir jetzt nicht mal Frosch probieren?
Unsere vier Lehrlinge streikten allein bei dem Gedanken, Froschfleisch
essen zu sollen. Andere zogen nach, und zuletzt waren es fast zwei Fünftel
der Mannschaft, die den Genuss ihrer Froschschenkelration anderen
Kameraden überließen. Die Froschbeine wurden also zu
"Wanderfroschbeinen", denn sie wanderten jetzt jeden Sonntag
und Seemannssonntag weiter auf die Teller von Kameraden, die keine
Bedenken beim Verzehr von gebrutzeltem Froschfleisch hatten. Man fragte
schon am Morgen herum, wer auf seine Froschbeinration zum Abendessen
verzichtet, und reservierte sie für sich. Während sich die einen mit
Reis sättigten - es gibt auf Schiffen auch abends warmes Essen - genossen die anderen
bedenkenlos und mit wachsendem Appetit die Froschkeulchen, die echt ganz
lecker schmeckten. Allerdings beobachteten die
"Froschverweigerer" auch genau die Reaktion der
Froschverwerter beim Verzehr, was dazu führte, dass mittlerweile immer
mehr Kameraden zu "Froschfressern" wurden, wie die einen die
anderen bezeichneten. Erst wurde zaghaft gekostet, dann nahm man ein
ganzes Stück, und zuletzt aß man seine Portion alleine. Egal, es
schmeckte all denen, die sie Froschkeulchen zu sich nahmen.
Das Fazit dieser Reise, die uns mit Froschbeinen über den Atlantik führte,
war, dass sie uns noch lange als weltmännisches Gourmeterlebnis im Gedächtnis
blieb. Pech für diejenigen, die gänzlich auf diesen Genuss
verzichteten. |
Besten Dank an Stephan für
seinen Appetitanreger.
Foto: Hans-Jürgen Mathy,
Schwerin | Finishing: ABa, Hamburg
"Mit Frosch übern Atlantik": Seeleute Rostock e.V., Januar
2012 |
Zusammenfassung dreier Stories von
Stephan Bohnsack, Rostock
"Tierisches auf See": Seeleute Rostock e.V.,
Juli 2019
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21.07.2019 |
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"Tradi" - Fakten
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