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www.seeleute-rostock.de/content/sailorscab/stories/02/schwappsanyo.htm |
| SlR.sc02 [19.F4] |
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Andreas Basedow, Hamburg
Schwapp und SANYO
Eine Zusammenfassung von zwei Stories rund um den Radiorecorder
Der Schlag des Atlantiks
Erschien ebenfalls unter "Vom
Zappelphilipp" in den "Bordgeschichten IX",
DSR-Seeleute e.V., Freiberg, 2010, www.seeleute.de .
Bei meinem Brotschiff MS TRATTENDORF handelte es
sich um einen Typ-IX-Bulkcarrier
von der Warnowwerft Warnemünde, mit einem "Jachtenkörper",
wie wir zu sagen pflegten, - schlank, schön und schnittig.
Andererseits wurden die Typ-IX-Bulker auch als
"Hochhausschiffe" tituliert, wegen des recht hoch gebauten
Deckshauses.
Abschaukeln der Atlantik-Dünung mit MS
TRATTENDORF |
Obwohl das "Tratti" bereits ein Aufbaudeck weniger als seine
Vorgänger besaß, erlebten wir dennoch auf den Fahrten nach Westafrika
unter Ballast in der Atlantikdünung voller Überdruss eine ständige
Krängung zu jeder Seite von bis zu 20°. Schon um in die Arbeitsplünnen
auf dem Gang vor dem Spint mit der ständig auf- und zuklappenden
Blechtür zu steigen, artete das so manches Mal in artistische Kunststücke
mit den passenden Flüchen und anderen Begleitgeräuschen aus. Dazu
gesellte sich die Unausgeschlafenheit durch das anhaltende nächtliche
Rollen in der Koje mit der zwangsläufig verminderten Produktivität am
folgenden Tage. Nicht nur die Decksgang, auch die Leute in der Maschine
oder in der Wirtschaft mussten während ihres Dienstes unter größten
Anstrengungen diese ständige Schaukelei abreiten.
Wenn wir dann mit Phosphaten abgeladen waren und die Rückreisen nach
Europa antraten, zeigte sich die eigentliche Pracht der wunderbar
stabilen Seelage des Typ-IX-Schiffes im Atlantikwasser.
Auf der Brücke des MS TRATTENDORF |
Eines Tages im Frühjahr 1976, wir befanden uns am Ausgang des
Englischen Kanals zum Atlantik auf Ballastfahrt nach Dakar und gingen
noch gegen die hohen Wellen von vorn an, wussten aber, was uns
"draußen" nach der Kursänderung in die Biskaya erwartete,
hatte ich meine Kammer bereits seefest gemacht, alles von der Back und
vom Wandschrank geräumt, den Radiorecorder von SANYO auf die
Backskiste gebettet und festgebändselt.
Gegen 18:00 Uhr zog ich
auf, um den Rudergänger zum Abendbrot abzulösen.
Auf dem "Tratti" wurde der Rudergänger durch eine kurze,
trapezförmig angeordnete Reling um den vorn stehenden Ruderbock
gesichert, die ihm Halt gab, damit der Posten bei größeren
Schwankungen der Aufbauten nicht wider Willen verlassen werden musste.
Ausgerechnet in dieser halben Stunde meiner Anwesenheit auf der Brücke
gab der Chiefmate das Kommando zum Kurswechsel südwestwärts hinein in
die Biskaya. Der Atlantik nutzte sogleich die Gunst der Minute, um dem
Typ IX seine Macht zu zeigen. Er machte unser leeres
"Tratti" auf der Stelle zum Spielball seiner Kraft. Über 40° Krängung nach
Backbord, gefolgt von einer ebensolchen Neigung nach Steuerbord, waren
die Folge. Der Chiefmate schien sich der Wirkung seiner Worte nicht
bewusst gewesen zu sein. Bei seinem im wahrsten Sinne des Wortes
"Vorbeiflugs" hinter meinem Rücken von Back- nach Steuerbord
rief er mir lauthals zu: "Auf alten Kurs zurück!!!" Ob ich
das Kommando ordnungsgemäß erwiderte? Ich weiß es nicht. Aber ich
befolgte es stehenden Fußes und kümmerte mich, meinem eigenen Überlebenswillen
folgend, um seine sofortige Ausführung. Im Kartenraum ging währenddessen
unter Gepolter der Inhalt sämtlicher Regale zu Boden.
Auf altem Kurs zurück beruhigte sich die Dame wieder etwas, und wir
konnten die chaotischen Auswirkungen in Augenschein nehmen. Na, das war
ein Schlag!
Als ich nach dem Ende dieser kurzen Ablösung wieder nach unten kam,
wurde ich natürlich mit entsprechenden, nicht gerade schmeichelhaften
Worten empfangen.
MS TRATTENDORF am 29.2.1976 in Dakar/Senegal |
In der Messe waren alle Backs leergefegt - trotz Schlingerleisten und
feuchten Tischtüchern. Sicherlich handelte es sich dabei nicht um die
einzigen entstandenen Kosten für die Reederei, um die
"Scherben" dieser Aktion zu ersetzen.
In meiner Kammer hatte sich der Papierkorb ausgekugelt - ich vergaß,
ihn zuvor zu leeren. Und der geliebte
Radiorecorder lag trotz meiner Sicherung am Boden. Es war zum Glück
"nur" ein Sturz aus halber Höhe, was er mir zwar mit innerem
Klappern aber weiterhin munterem Spiel dankte.
Der richtige Schreck kam mir erst danach. Was hätte tatsächlich
passieren können? Ob ich es heute noch mal so erleben möchte, ich weiß
nicht. Damals, als junge Seeleute, was kostet die Welt, nahmen wir ein
solches Geschehen nur allzu leicht hin. |
Fotos: ABa, Hamburg
"Der Schlag des Atlantiks": Seeleute Rostock
e.V., Januar 2009
Der SANYO-Effekt
Rechnung aus Kuwait |
Auf dem MT BUNA (1) (vgl. Tanker - Ankäufe)
verguckte ich mich 1975 bei einem Kollegen in einen Radiorekorder von
SANYO, den ich selbst nur zu gerne haben wollte. Am Ende des Auftrags
der BUNA im Persischen Golf waren wir in Kuwait, um den Schlorren mal
wieder so richtig seefest machen zu lassen. Das bot natürlich die
Gelegenheit, nach "meinem" SANYO auf die Pirsch zu gehen.
Lange Zeit wurde ich nicht fündig, aber in einem Laden entdeckte ich
ihn endlich - weit oben auf dem höchsten Regal! Er sah schon etwas
eingestaubt aus, aber meinem getrübten Blick bot das kein Hindernis.
Und somit hatte mich der Händler natürlich gleich durchschaut - es
half kein Feilschen - ich blätterte also den vollen Preis hin.
Hundert Meter weiter erreichten wir dann doch noch einen SANYO-Shop...
Der Verkäufer dort lächelte freundlich und meinte, dass ich bei ihm
das Nachfolgegerät für billiger hätte kriegen können. Na und? Das
sah lange nicht so gut aus wie meines mit diesen großen Käselöchern
vor dem Lautsprecher!
(Beliebtes 1970er Design:
Der "Military Look")
Im Laufe der Jahre hatte ich großen Spaß mit meiner Musikmaschine von
SANYO, selbst lange noch nach meiner Seefahrtszeit. Und nicht nur das,
sogar im Elternhaus verrichtete er zwischenzeitlich souverän seine
Dienste.
Nachdem mein SANYO so Mitte der 1980er Jahre zu mir zurückkam, wollte
ich ihn wieder mal so richtig in Schwung bringen. Aber wie
bewerkstelligte man das, wenn in der DDR keine passenden Ersatzteile erhältlich
waren? Ich erinnerte mich an einen Seefahrtskollegen, der mir einst erzählte,
dass er seine Wünsche per Post erfüllen konnte ...
Also setzte ich mich an die Back und schrieb im Oktober 1987 einen
deutschsprachigen Brief direkt an SANYO in Japan:
Sehr geehrte Herren der SANYO
ELECTRIC CO.
Gestatten Sie mir höflichst, mich heute mit einer Bitte an Sie zu
wenden.
1975 kaufte ich mir in Al Kuwait als ehemaliger Seemann der
DDR-Handelsflotte einen Radio-Recorder des Typs M 2430 F
Ihrer von mir hochgeschätzten Firma.
Weil ich gerne an meine Zeit als Seemann zurückdenke, möchte ich
dieses Gerät betriebsfähig erhalten. Darum überhole ich zur Zeit
das Kassettenlaufwerk und musste feststellen, dass der
Gummitreibriemen verschlissen ist. Geräte dieses Typs wurden in
unserer Republik nicht gehandelt, so dass ich auch keine Ersatzteile
dafür bekommen kann.
Hier nun meine Bitte. Wäre es Ihnen möglich, mir einen
Gummitreibriemen sowie einen Stromlaufplan für meinen
Radio-Recorder zu übersenden?
Ich würde mich sehr freuen! Und ich bin Ihnen dankbar für jede
frohe Stunde mit musikalischer Unterhaltung durch das Gerät Ihrer
Firma.
Hochachtungsvoll!
A.B. |
Postsendung aus der Schweiz |
Unglaublich, doch es klappte tatsächlich! Im November 1987 erhielt ich
eine offene und natürlich vom Zoll überprüfte Sendung von SANYO aus
der Schweiz, alle meine Wünsche erfüllend, und sogar noch mehr!
SANYO schickte mir einen Gummi-Treibriemen und eine komplette Service-Anleitung
für mein Gerät. Darüber hinaus erhielt ich sogar die Bedienungsanleitung
für den Typen M 2440x, weil diese Deutsch enthält. Und ich meine, eine
neue Andruckrolle war wohl auch noch dabei!
Mit diesem hervorragenden, die Welt umspannenden Service konnte ich
meinen Radiorekorder wieder bestens in Fahrt bringen!
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Der Radiorecorder |
An dieser Stelle möchte ich der SANYO Corporation und allen weiteren
beteiligten Seiten noch einmal meinen herzlichen Dank übermitteln! Der
Radio-Recorder ist nach wie vor am Leben und hatte mich zuletzt auf
einem Außeneinsatz getreu unterhalten.
Als ich kürzlich mir noch unbekannte Dokumentarfilme über die DSR aus
den frühen 1980er Jahren digitalisierte, verfolgte ich am Bildschirm
auch Bilder aus SANYO-Produktionsstätten, das Verladen von Containern
in Japan und ein Interview mit Mr. Emo Kamuro, dem damaligen Vize-Präsidenten
der SANYO ELECTRIC TRADING Co. Ltd., Osaka, Japan. Dabei musste ich
wieder an diese meine Geschichte denken ...
Plötzlich kam der Aha-Effekt! Die DSR und SANYO unterhielten damals
also sehr gute Geschäftsbeziehungen!!! Na, dann konnte und
durfte doch nichts schiefgehen. :-))
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Abschließend ein
offizieller Beleg der Kooperation im Bild:
Für Güter, die einer besonderen
Verwahrung [bedürfen], setzen wir Fachleute mit Erfahrung
ein.
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Abbildungen: ABa (3 g.o.) und aus
"DSR-LINES - Damit Ihr Frachtgut nicht ins Wasser fällt ...",
VEB Deutfracht/Seereederei Rostock, 1986 (o.)
"Der SANYO-Effekt": Seeleute Rostock e.V., März
2009
"Schwapp und SANYO": Seeleute Rostock e.V.,
13. Okt. 2019
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13.10.2019 |
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"Tradi" - Fakten
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