Die "Suhl", ein Semicontainerschiff der
Deutschen Seerederei Rostock, lag vom 10. - 21. Juli 1982 in Rostock
und wurde mit LKW vom Typ "W-50" für den Hafen
Akaba/Jordanien beladen.
Der Golfkrieg zwischen Iran und Irak war voll entbrannt. Man stritt
sich um die Ölquellen im Shatt el Arab, die von beiden Staaten für
sich beansprucht wurden. Diese Auseinandersetzung führte zur völligen
Blockade des irakischen Hafens Basra. Die Ladungsströme für Irak
gingen deshalb über Kuwait oder auf dem Landwege über den
jordanischen Hafen Akaba am gleichnamigen Golf gelegen.
Die DDR fühlte sich mit der irakischen Führung verbunden und
unterstützte sie nach ihren Möglichkeiten. So wurden eine große
Anzahl LKW "W-50" mit dem typischen beigen Wüstenanstrich
nach dem Irak geliefert, die dann wahrscheinlich auf den
Schlachtfeldern ein kurzes Dasein frönten. Zeitweilig war der ganze
Rostocker Überseehafen mit diesen Fahrzeugen überfüllt. Da die
Deutsche Seereederei nicht über genug geeignete Tonnage für den
Fahrzeugtransport verfügte, wurden auch konventionelle Schiffe für
den LKW-Transport eingesetzt. Für die "Suhl" war es bereits
die zweite Reise nach Akaba in diesem Jahr. Das Laden und Laschen von
230 LKW waren sehr zeitaufwändig, weil dieser Schiffstyp für den
Fahrzeugtransport völlig ungeeignet war. Zur Einhaltung des geplanten
Auslauftermins war es sogar notwendig geworden, dass die Besatzung die
Rostocker Hafenarbeiter bei den Lascharbeiten unterstützten.
Am 21. Juli 1982 wurde 20 Uhr die Mole von Warnemünde passiert und
Kurs auf den Suezkanal genommen. Es wurde eine reine Schönwetterreise.
Für mich war es seit meinem Studium in Warnemünde die dritte Reise
auf der "Suhl". Auf diesem Schiff habe ich mir meine ersten
Lorbeeren als 3. Technischer Offizier verdient. Heute kann ich sagen,
dass die Jahre bis 1985 auf der "Suhl" die schönsten meiner
ganzen Seefahrtszeit waren.
Am 30. Juli erreichten wir die Reede von Port Said. Die
Behörden holten sich beim Kapitän auch gleich die üblichen Geschenke
ab und teilten uns dann unsere Nummer für den Konvoi am nächsten Tag
mit.
Die Kanalpassage begann am frühen Morgen. Der Konvoi sah aus wie eine
riesige Perlenkette. Der erste Teil der Reise durch den Kanal endete
mittags im Großen Bittersee. Hier wurde geankert und auf den
Gegenkonvoi aus dem Roten Meer gewartet. Am Nachmittag ging es weiter
und zum Abendbrot wurde Suez, die Stadt am Roten Meer, erreicht. Durch
den Golf von Suez und Akaba ging es zum Zielhafen. Am 01. August
nachmittags wurde dieser erreicht. Da alle Liegeplätze belegt waren,
wurde das Schiff auf Reede belassen.
Akaba ist der einzige Hafen Jordaniens. Die Küstenlänge beträgt nur
etwa 5 Kilometer.
Nach 10 Tagen auf Reede wurde das Schiff in den Hafen verholt, und das
Löschen der Fahrzeuge ging zügig voran. Bereits zwei Tage später
sind wir aus Akaba ausgelaufen. Kurze Zeit später erhielt der Funker
einen Notruf von der DSR in Rostock.
Das MS "Gleichberg", erstes in Wismar gebautes
Ro-Ro-Schiff auf der Jungfernfahrt, soll auf dem Gordonriff festsitzen. Das gehört zu einer Kette von
vier Riffen in der Straße von Tiran.
Mittags wurde der Havarieort erreicht. Es bot sich uns ein imposanter
Blick. Die "Gleichberg" saß hoch herausragend, weithin
sichtbar, auch mit LKWs beladen auf dem Riff fest. Sie befand sich
dabei in guter Gesellschaft, denn zwei andere Schiffe, von ihren
Besatzungen schon aufgegeben, lagen ebenfalls dort fest. Die Sonne
stand hoch über uns. Die Tiranstraße, zwischen der Halbinsel Sinai
und dem besagten Riff, war an der dunkelblauen Wasserfarbe gut zu
erkennen. An beiden Seiten wurde dieser vielleicht 100 Meter breite
Seeweg durch Korallenbänke weiß sichtbar begrenzt.
Böse Zungen behaupteten sofort, dieser Seeunfall sei die Strafe dafür,
dass in Berlin vor 21 Jahren die Autobahn zum Trocknen aufgestellt
wurde. Es war ja auch der 13. August 1982.
In der Zwischenzeit hat das Krisenzentrum in Rostock weitere
DSR-Schiffe an die Unglücksstelle beordert. Mit den MS"
Crimmitschau" und "Glauchau" sollten zwei baugleiche
Schiffe die Bergungsaktion unterstützen.
Die vier Kapitäne der beteiligten Schiffe einigten sich darauf, dass
zuerst die "Crimmitschau" versuchen sollte, den Havaristen
vom Riff zu ziehen. Eine Schleppverbindung wurde hergestellt. Beim
Schleppversuch wurde schnell klar, dass eine kurzfristige Bergung der
"Gleichberg" nicht möglich sein wird. Das Schiff bewegte
sich keinen Millimeter. Problematisch war vor allem die starke Strömung
durch die Tiranstraße. Der Schleppwinkel wurde stumpfer und damit die
Zugkraft geringer.
In der Nacht bot der Havarist hoch herausragend und voll beleuchtet
einen tollen Anblick. Sofort sprach man vom teuersten Feuerschiff der
Welt. Wenige Meter davon entfernt konnten wir das Blitzfeuer auf einem
Gittermast erkennen, auf das die "Gleichberg" mit voller
Kraft zugefahren sein musste.
Den zweiten Versuch sollte dann am nächsten Tag unsere
"Suhl" aufgrund der höheren Maschinenleistung durchführen.
Dazu wurde der Seeschlepper, ein tonnenschwerer Schleppdraht, aus dem
Kabelgatt gewuchtet. Die Masse des Schleppdrahtes war so groß, dass
dazu das bordeigene Ladegeschirr zu Hilfe genommen werden musste. Unter
großer Mühe wurde mit Hilfe der Rettungsboote nach mehrstündigem
Einsatz eine Schleppverbindung hergestellt. Bei diesem Einsatz konnten
wir vom Rettungsboot aus sehen, dass die "Gleichberg" sich
mit ihrem Schiffskörper ca. 1/3 der Gesamtlänge auf das Riff
geschoben hatte.
Der Draht wurde auf der "Suhl" um das achtere Deckshaus
gelegt, weil die Schiffsführung den Pollern diese gewaltige Last wohl
nicht zutraute. Der Kapitän unseres Schiffes ließ den Hauptmotor von
der Brücke an. Ganz langsam kam Fahrt in das Schiff. Der durchhängende
Schleppdraht strafte sich, kam steif und dann ging alles ganz schnell.
Es gab ein pfeifendes Geräusch und dann einen
Knall. Die Kardeele der Trosse wickelten sich auseinander und die
beiden Enden des Drahtes fielen ins Wasser. Der Versuch war
gescheitert. Die Enden wurden auf beiden Schiffen mit Schweißbrennern
gekappt und rauschten in das Rote Meer.
Am Nachmittag wurde dann auf unserem Schiff Kriegsrat abgehalten.
Man einigte sich auf folgende Vorgehensweise. Die baugleichen Schiffe
"Crimmitschau" und "Glauchau" gehen ins Päckchen,
bringen jeweils eine Ankerkette aus und verbinden diese mit dem
Havaristen. Unserem Schiff wurde nur die Aufgabe zugeteilt, diese
beiden Schiffe auf Kurs zu halten, damit sie nicht durch die Strömung
in die Fahrrinne abgedrängt wurden.
Die Bergungsaktion fand am darauffolgenden Tag statt. Es war eine
Knochenarbeit, die Schleppverbindung mit Ankerketten zwischen der
"Gleichberg" und dem Schleppverband herzustellen. Die
Besatzungen der beteiligten Schiffe, besonders die Bootsleute haben
dabei Großes geleistet. Auf der einen Seite sollte die tonnenschwere
Verbindung so kurz wie möglich sein, auf der anderen Seite mussten die
Schiffe dabei aber sehr dicht an die Riffkante heran. Die Gefahr, dass
Schiffsschraube und Ruderblatt beschädigt werden konnten, war riesig.
Die Verbindung war noch gar nicht richtig hergestellt, da ließ ein
Kapitän die Maschine seines Schiffes an. Wahrscheinlich hatte er sich
dem Gordonriff zu stark genähert. Es kam Spannung in die
Kettenverbindung. Es gab einen Knall und eine Rostwolke verteilte sich
langsam. Durch diese Aktion war der Kapitän des anderen Schiffes
gezwungen, ebenfalls zu reagieren. Seine Kettenverbindung ereilte
dasselbe Schicksal. Die "Suhl" ist dabei gar nicht zum
Eingreifen gekommen. Dieser Versuch war ebenfalls gescheitert.
Durch den Funkverkehr und die Aktivitäten auf dem Gordonriff war
ein holländischer Hochseebergungsschlepper aufmerksam geworden. Den
letzten eigenen Bergungsversuch unserer Reedereischiffe hatte er dabei
aus sicherer Entfernung aufmerksam beobachtet.
Nach Absprache mit dem Krisenzentrum in Rostock wurde mit diesem
Schlepper ein Bergungsvertrag unterzeichnet. Den ersten Schleppversuch
konnten wir noch verfolgen, bevor uns die DSR Richtung Suez abrief.
Den Kanalkonvoi am Morgen des 17. August mussten wir unbedingt
erreichen. Um die drei Tage Verlust wieder einzuholen, wurde unser
Schiff direkt nach Hamburg geordert, um bereits Ladung für die nächste
Golfreise zu übernehmen. In Hamburg kam dann mit der Post und
Zeitungen auch die aktuellste Ausgabe des Reederei-Bummi (Voll Voraus)
an Bord. Auf der Titelseite wurde in großen Lettern von der
Indienststellung des ersten in der DDR gebauten Ro-Ro-Schiffes
berichtet und die Leistungen der Schiffbauer und Seeleute in den höchsten
Tönen gepriesen.
Am 28.08.1982 um 14 Uhr wurden die Leinen im Heimathafen Rostock
festgemacht. Es wurde nur eine ganz kurze Liegezeit. Zu wenig Zeit für
die Familie, für Freunde, oder um irgendwelche Probleme zu Hause zu lösen.
Bereits am 31.08.1982 begann eine neue Reise über London und Antwerpen
in den Persischen Golf und nach Indien.
Das weitere Schicksal der "Gleichberg" kenne ich nur aus
der Presse bzw. durch den Buschfunk. Die Versuche des holländischen
Schleppers scheiterten ebenso wie unsere eigenen. Selbst ein zweiter
Schlepper derselben Reederei, der in Suez stationiert war, konnte
nichts bewirken. Die "Gleichberg" ist mit voller
Geschwindigkeit auf das Riff gerutscht und hatte sich regelrecht in die
Korallen gebohrt.
Eine Singapore-Bergungsreederei soll danach den Zuschlag bekommen
haben. Dabei soll ein Teil des Gordonriffs unter dem Schiff weg
gesprengt worden sein. Die "Gleichberg" ist dann mit eigener
Kraft nach Akaba zum Löschen der LKWs gefahren und anschließend in
eine jugoslawische Werft zur Reparatur. Es ist aus meiner Sicht eine
schiffbautechnische Meisterleistung der MTW-Werft Wismar gewesen, daß
bei diesem Crash nur ein Ballastwassertank im Doppelbodenbereich beschädigt
wurde und anschließend das Schiff weiter schwimm- und manövrierfähig
war.
Für die Schiffe der DSR gab es in Auswertung dieses Seeunfalls eine
Weisung, dass die Passage der Tiranstraße nur noch bei Tageslicht
erfolgen durfte. Das bedeutete für Schiffe bei der Fahrt in den Golf
von Akaba, dass sie nach Beendigung der Suezkanalpassage, die grundsätzlich
in den Abendstunden endete, irgendwo ankern oder treiben mussten, um
die Zeit bis zur Morgendämmerung zu überbrücken.
Zwei Jahre später erhielt ich mit der Post ein Schreiben der
Chefinspektion, über das ich mich sehr gefreut habe. Man bedankte sich
für den Einsatz am Gordonriff und teilte mir meinen finanziellen
Anteil an der Dispache mit. Siehe unten.
Nach Beendigung meiner aktiven
DSR-Fahrenszeit habe ich später in einem Reiseführer gelesen, dass
zwischen 1973 und 1986 insgesamt 28 Schiffe auf das Riff aufgelaufen
sein sollen, von welchen 21 wieder frei kamen.
Die "Gleichberg" gehörte dazu und lief von 1999 bis zu ihrem
Verkauf Ende 2000 unter dem Namen "Prerow" für die
Laeisz-Reederei. |