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www.seeleute-rostock.de/content/sailorscab/stories/06/mitrobzursee.htm |
| SlR.sc06 [20.F4] |
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Rolf Beckert, Chemnitz
Ich war mal Seemann
in den Jahren 1962 bis 1968 und bin es immer noch.
GERA | EMA (1)
| FREUNDSCHAFT | SENFTENBERG
| KÖRNER (1) | SEELENBINDER
| Hanse Sail
Umfasst nun Rolfs frühere Beiträge
"Krank in Mexico", "SENFTE ins Nordmeer",
"Winter in Murmansk",
"Sagua La Grande", "DSR half den USA",
"Abgesoffenes Fotolabor!", und so einige weitere Geschichten.
Auch größere Fotos lassen sich "noch größer klicken". |
Mit GERA nach Asien und dann im Großen Belt
Motorschiff GERA, eine fast
typische Indien-Reise 1962/63:
31.8.1962 ab Rostock - Westeuropa - Suezkanal - Bombay - Cochin -
Colombo - Madras - Kalkutta - Rangoon - Cochin - Häfen an der Malabar-Küste
- Port Sudan - Suezkanal - Weihnachten auf See - Westeuropa - Havarie im
Großen Belt - an Rostock im Februar 1963 |
ABa, Reiseverlauf anhand
der Quellen: "Typ IV..." G. Peters 1998 S. 217; Rolf selbst |
Antwerpen Colombo |
Von Schiffe/Frachter, groß/Typ-IV/12
Typ IV#GERA |
Von der großen Insel im Süden
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Nebenstehendes Foto ist ein
Scan aus einer "Voll Voraus" von 1963. Zu sehen ist mein Kapitän
Fünning (l.) vom MS GERA beim Austausch von Geschenken. Der Kapitän überreicht
einen Wimpel (DDR-Fahne mit Emblem).
Das Geschenk des ceylonesischen Gastes (r.) trägt der Kapitän
bereits um den Hals, ein Schaltuch. Ort Colombo - Ceylon.
Anhand der flachen Deckenleuchte im Bild ist sehr zu vermuten, dass
es sich um die Offiziersmesse der GERA handelt.
Anmerkungen: Ich war bei dieser Reise nach Südasien dabei. Und
Kpt. Fünning hatte ich dann wieder 1967/68 (s. u.). |
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Hilfssteward
Uns
fehlte auf dieser Reise ein zweiter Messesteward für die
Mannschaftsmesse. Deshalb mussten im Wechsel die Bereiche Deck und
Maschine einen Mann stellen. Aber natürlich nur die untersten Dienstränge,
Decksmann und Motoren-Helfer. Immer für eine Woche. Mir gefiel die
Rolle als "Hilfssteward" ganz gut. Die Vorteile waren vor
allem: Keinen Wachdienst in der Maschine, immer kalte Getränke und
immer Leckerbissen. Der Nachteil ist aber der: Morgens früh raus und
abends erst nach dem Abendbrot Feierabend. Zwischendurch hat man
allerdings Zeit für ein schönes Mittagsschläfchen.
Einmal traf es mich im Hafen Colombo. Auch hier die Vorteile: Keine
Arbeit im Maschinenraum bei Hitze und Zeitdruck bei allen möglichen
Reparaturen. Der Nachteil: Landgang ist erst nach 18 Uhr und kein freies
Wochenende. Kleiner Vorteil dabei: Wenn ich auf den Mittagsschlaf
verzichtete, konnte ich für einen Sprung an Land gehen.
Falls jemand gar nicht weiß, was ein Messesteward und sein Helfer auf
einem Schiff zu machen haben, hier ganz kurz: Den hungrigen Mäulern die
Mahlzeiten servieren. Zuvor natürlich die Tische decken und Kompott und
Getränke auftragen. Bei kräftigem Seegang nasse Tischtücher auflegen,
damit nichts rutscht. Bei noch höherem Seegang an den Tischen die
Schlingerleisten hoch klappen. Nur mal als Beispiel. Und nach dem Essen
wird das Geschirr gespült und wieder weg sortiert. Die Bestecks von
etwa 40 Mann wurden in einer großen Blechschüssel eingeweicht und
durch kräftiges Rütteln vorgereinigt. Und weiter geht es wie bei einer
fleißigen Hausfrau. Tische und Fußböden werden nach jeder Mahlzeit
gesäubert. Dazu kommen weitere Aufgaben für den Steward, z.B. der
Bettwäschetausch für die Offiziere. Das Bettzeug wird bei ihnen aus
der Kammer geholt und gegen frisches ausgetauscht. Bettzeug und Handtücher.
In der Regel beziehen die Offiziere ihre Betten selbst. Manche verlassen
sich dabei aber auch auf den Service der Stewards.
Eine Begebenheit. Das Schiff liegt im Hafen von Colombo/Ceylon. Mit
Beginn des Mittagessens stehen etwa zehn Einheimische am Schott, das von
der Mannschaftsmesse neben der Kombüse an Deck führt, um den
Abfalleimer aus der Mannschaftsmesse nach Achtern tragen zu dürfen. Das
geht dann so: Mittag ist vorüber. Der vom Steward ausgesuchte Mann
bekommt mit einem Fingerzeig gesagt, dass er den Abfalleimer aus der
Messe holen kann. Große Freude unter den übrigen Wartenden und ab geht
es nach Achtern. Kaum außer Sichtweite wird der Eimer abgesetzt und
alle fassen bis auf dem Grund des Eimers um Kartoffeln und andere feste
Abfälle herauszufischen. Und ihr Mittagsmahl kann beginnen. Übrig
bleibt nur das Dünne. Der Rest wird in den Fullbrass-Sack geschüttet. Natürlich
haben wir Stewards (und Hilfsstewards) auch besseres Essbares verteilt.
Bekommen haben es aber doch immer nur die, die am besten betteln
konnten. Vom Koch wurde dieses Verschenken von Essen nicht gern gesehen.
Ja, freilich, wo soll man auch eine Grenze ziehen. Die hungrigen Kinder
und Frauen bekommen nichts ab. Und helfen konnten wir denen auch nicht.
Unsere Matrosen machten sich manchmal den Scherz (sehr bedauerlich und
gemein) mit den Leuten, indem sie den Hungrigen eine Blutwurstschnitte
zeigten und sie anregten, diese Bemme zu essen. Wissend, daß in Ceylon
niemand Blutwurst essen kann, die Religion verbietet das.
Im Hafen ist der Stewarddienst anstrengender als auf See. Die Mannschaft
hat im Hafen viel Arbeit am Schiff. Oder ein Matrose kann die
Luken-Aufsicht nicht verlassen. Der bekommt natürlich auch sein Essen.
Die Essenszeiten verlängern sich. Das macht Aufwand für den Steward.
Oft werden im Hafen Besucher (je nach Rang in der Offiziers- oder
Mannschaftsmesse) vom Schiff beköstigt. Bringt Mehraufwand für die
Stewards und für die Köche.
Auf See, bei hohem Seegang, ist der Job allerdings auch nicht leicht.
Wird man seekrank, dann steht man als Steward voll im Mittelpunkt des
Spotts. Und dabei geht es den Anderen auch nicht besser. Ein Matrose
oder ein Maschinist finden da schon eher eine ruhige Ecke im Schiff. Vom
Steward erwarten alle, dass er immer gut drauf ist, freundlich und
schnell.
Wem "Steward" zu vornehm ist, der sage einfach und seemännisch
"Backschafter" zu mir. |
Rolfs Gedanken zur Mannschaftsmesse
sind unter Schiffstechnik
& Seemannschaft/4. Kost & Logis zu sehen. |
Und am Ende sogar eine Havarie!
Am 5.
Februar 1963 kam die GERA bei schwerem Eisgang vor Korsør fest. Die
Leichterung des Schiffes durch den Dampfer THÄLMANN-PIONIER gemeinsam
mit dem Hochseeschlepper EISVOGEL war nicht einfach. Am 12. Februar 1963
geriet eine gerissene Kunstfaserleine in den Propeller des Dampfers, der
durch seine Manövrierunfähigkeit in dieser kritischen Situation auch
noch ausfiel. Am 14. Februar gelang den beiden DSR-Schiffen gemeinsam
mit den herbeigerufenen dänischen Schleppern GARM und SKULT die
Abbergung der GERA.
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Von Schiffe/Frachter, groß/Typ-IV/12
Typ IV#GERA |
Motorschiff GERA, eine weitere
Indien-Reise 1963:
Rostock - ... - Chittagong - ... - Bedipunder im Golf von Cutch
(Kachchh) - ... - Rostock |
ABa Reiseinformation
anhand der Quellen: "Labskaus..." F. Seibicke 2012 S. 393;
Rolf selbst; www |
Bordkatze
Mein persönlicher Bezug zu diesen Katzenbildern: Wir liegen mit der
GERA in Grand Coronne in Frankreich, einem Flusshafen in der Seine,
unterhalb von Rouen, wir laden Mehl. Die Gezeiten wirkten sich hier im
Fluss so stark aus (die Flutwelle war einen halben Meter hoch), dass die
Maschine jedes Mal gegendrücken musste, um das Schiff an der Pier zu
halten. Aufgrund der zu geringen Wassertiefe der Seine haben wir einen
Teil der Ladung in Antwerpen zugeladen. In Antwerpen waren dann
inzwischen auch unsere bestellten Lederjacken fertig. Ja, und die Katze
habe ich eben schnell mal fotografiert. |
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Selbsterlebte andere Tiere an Bord waren: Hund,
Schwein, Affe und Fische im Aquarium |
Zahnweh auf See
Wenn man die Zangen beim Schiffsarzt gesehen hat, dann vergeht einem
erst einmal der Zahnschmerz. Wieso? Das erinnert so an das Kolbenziehen
an einem Schiffsmotor: Kolbenringzange, Kettenzug, Vorschlaghammer, Törnstange
und …
Vielleicht hilft auch eine Schmerztablette über das aufkommende Zahnreißen
hinweg - in wenigen Tagen erreichen wir doch den Hafen Chittagong im
damaligen Ostpakistan. Dort praktiziert ein Zahnarzt, der in Hamburg
studiert hatte, und deshalb unser Deutsch verstehen konnte - sonst eben
Englisch. In meiner Erinnerung waren wir drei oder vier Leute von der
GERA, die an Land zum Zahnarzt mussten. Sehr interessant, aber auch
beeindruckend und angsteinflößend waren die Vitrinen im Wartezimmer.
Vielleicht, es muss jetzt nicht stimmen, lagen in den Vitrinen über
hundert gezogene Zähne. Ausgestellt. Trophäen.
Tage danach hatte sich ein weiterer Zahn-Leidender beim Schiffsarzt
eingefunden. Da er aus der Maschine war, wurde ich angesprochen, ob ich,
da ich ja bereits in der Stadt zur Behandlung gewesen war, den Weg dahin
wiederfinde und mit H… zum Zahnarzt gehen würde. Ich bekomme
arbeitsfrei. OK. Wir gehen die Pier entlang. Vorbei an Schiffen. Die
Schritte von H… wurden immer langsamer, bis zum Stehenbleiben. "Meine
Zahnschmerzen sind weg. Ich gehe nicht zum Zahnarzt!" Das
sagte er, und es fiel ihm ein Stein vom Herzen. Erlöst. Aber was nun?
Zurück an Bord konnten wir jetzt nicht gehen. Das wäre wirklich zu
peinlich. Also sind wir auf ein fremdes Schiff zur
"Schiffsbesichtigung". Das geht so, natürlich auf Englisch:
"Wir bitten an Bord kommen zu dürfen".
Vielleicht ein Bier schnorren. Als Seemann ist man immer ein
willkommener Gast. |
Bordküche Zwei
Unser Zielhafen war "Bedipunder". Die Stadt, mindestens
aber den Hafen gibt es wirklich, wir waren doch dort. Persönlich, mit
eigenen Augen gesehen. Der Name war uns so vertraut wie etwa Bombay oder
Havanna. War aber wahrscheinlich sehr unbedeutend, denn ich kann diesen
Ort auf der Landkarte nicht finden.
Ja, wir sind mit der GERA in Bedipunder in Indien. Wir liegen auf Reede.
In einer Bucht. Einen Hafen habe ich nicht gesehen. Die Ladung wurde uns
mit Segelschiffen angeliefert. Die Ladung, das waren Erdnüsse. Dass es
eine unvorstellbar große Menge war, will ich nur am Rande bemerken. Die
GERA war ja auch ein großes Schiff. Die indischen Schauerleute wohnten
für die Zeit des Ladebetriebes, viele Tage, an Bord bei uns. Hallo, in
den Passagierkabinen? Nee, sie rollten ihre Reisstrohmatte an Deck aus,
und "Gute Nacht".
Auf dem
Foto wird für diese Arbeiter gerade das Essen zubereitet. Dreimal am
Tag das gleiche. Wahrscheinlich zeigt das Foto die Bereitung des
Mittagessens. Ist aber im Prinzip egal, denn Mehlfladen und eine Suppe
gab es ja, wie gesagt, dreimal am Tag. Die Suppe ist fertig, auf dem
Foto. Hinter dem Suppenkübel steht eine große Schale mit Mehl und
etwas Wasser drin. Der Koch formt gerade einen Fladen. In der
Blechschale auf dem Feuer, links, werden die Fladen gebacken. Siehst du
das Feuer? Ein Farbfoto wäre günstiger. Der Poller im Bild, es ist ein
Doppelpoller, zeigt, dass wir uns auf einem Schiff befinden. Kannst es
glauben. Nun, und ich bin da auch zu sehen. Die typische Sitzhaltung
dieser "Ureinwohner" habe ich mir inzwischen auch angeeignet.
Man kann stundenlang sitzen.
Die genannte Suppe, das war eigentlich eine aufgekochte Gewürzbrühe.
Der Koch, oder die Köche begannen sehr früh am Morgen in einem Mörser
die Gewürze zu stampfen. Genauer kann ich das nicht beschreiben. Dieses
Gewürz wurde aufgekocht zur Suppe. Davon bekam jeder Arbeiter seine
Portion in die "persönliche" Blechbüchse. Die Mehlfladen
wurden darin eingetunkt. Ganz ohne Löffel.
Vor dem Frühstück erhielten die Schauerleute in eben diese persönliche
Blechbüchse ihre Ration Trinkwasser. Wie wichtig doch diese Blechbüchse
war. Mit diesem Wasser wurde auch (lieber Leser, kannst schmunzeln, aber
so war das eben) die morgendliche Körperpflege gemacht. Mit so wenig
Wasser, für uns undenkbar. Das Wasser bekamen diese Leute in Kanister
von Land. Das heißt, der Koch bekam das Wasser, er verteilte es.
Lieber
Leser, wirst denken, na, da könnten doch "die vom Schiff",
also wir von der Besatzung, aus den Ressourcen des Schiffes mit Wasser
aushelfen. Im Notfall hätten wir das doch auch getan. Aber wir mussten
selbst mit Wasser sparsam umgehen.
Abends wurden in den Feuerschalen für Fladen Erdnüsse geröstet. Die Nüsse
wurden vorher in Seewasser (weil Salzwasser) eingeweicht und dann geröstet.
Solche gerösteten Nüsse haben wir uns eingetauscht gegen Zigaretten.
Übrigens, lieber Leser, rohe Erdnüsse kann man nicht essen, die
schmecken wie Seife.
Wenn der Kran, in unserem Falle das eigene Ladegeschirr, eine Netzbrook
(Ladungsnetz) Erdnüsse vom Lastensegler zu uns an Bord in den Laderaum
hievte, waren immer aufgeplatzte Säcke dabei. Die Nüsse landeten an
Deck. Diese Nüsse wurden einfach in den Laderaum geschaufelt. |
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Im Heimathafen erlebte Rolf während
einer Maschinenwache eine besondere Abwechslung: Die Flügel |
Mit ERNST MORITZ ARNDT (1) in die Karibik
Eigentlich EMA abgekürzt, aber wie "Emma" ausgesprochen
Die "EMMA" in Wismar. Dort hatten wir
Masut gebunkert. |
Zahnweh in Wismar
Wenn wir Seeleute im Heimathafen, etwa in Rostock oder in Wismar, nun
doch einmal einen Arzt oder Zahnarzt aufsuchten, dann mussten wir das
Seefahrtsbuch dort hinterlegen. Man war eben vorübergehend nicht
"seetauglich". Ist ja auch gut so. Denn zum Auslaufen eines
Schiffes muss der Kapitän bestätigen, dass alle Mann an Bord gesund
sind.
Mein Problem, es war in Wismar, war ein böser Zahn. Eigentlich sollte
dieser Zahn behandelt werden, hat mir die Zahnärztin nahegelegt. Aber
das könnte eine Woche dauern. Was nun? Morgen laufen wir aus. Nach
Kuba/Mexiko. Da will ich unbedingt mit! Also wurde der "böse"
Zahn gezogen. Man muss eben Opfer bringen. Und ich bekam mein
Seefahrtsbuch wieder.
Und hurry, zurück an Bord. |
Die "EMMA" auf See. Von den Mühen der
Seeleute gegen die immerwährende Korrosion.
Hier am dampfbetriebenen Verholspill auf der achteren Manöverstation. |
Krank in Mexico (1)
Schornstein der "EMMA" mit Typhon
und Peilrahmen |
Leider hatte ich meinem Schiff Ärger und Kosten verursacht. War
eben Pech. Ich habe hier mal aufgeschrieben, wie es sich ungefähr
zutrug. In Mexiko, der Hafenstadt Coatzacoalcos. In der Indianersprache
heißt Coatzacoalcos: "Ein Ort, an dem eine Schlange lebt".
Mein Schiff war das Dampfschiff "Ernst Moritz Arndt" (die
"EMMA") (vgl. Ankaufschiffe-EMA
mit Foto von Rolf). Ich hatte ab Mittag wachfrei und wollte
unbedingt an Land. An Bord war es vor Hitze nicht mehr auszuhalten.
Selbstverständlich ging es den anderen Leuten der Gang ebenso. Ich
hatte aber frei und konnte an Land. Die Hitze im Maschinenraum und
zwischen den Kesseln war unerträglich, 55 Grad. An Land war es dagegen
echt frisch, bei vielleicht 30 Grad im Schatten. Das Wort Schatten möchte
ich etwas hervorheben. Denn da, wo ich an Land meine Wanderung, meine
'Fotoexkursion' machte, gab es keinen Schatten. Meine Krankheit, die
ich mir heute Nachmittag holte, war wahrscheinlich ganz einfach ein
Sonnenstich. Mehrere Stunden war ich in der Prärie auf Foto-Pirsch.
Ohne Kopfbedeckung. Auf dem Weg zurück zum Hafen habe ich mir eine
CocaCola geleistet. Ja, echt geleistet, denn an Bord ist eine VitaCola
wesentlich billiger. Doch ich hatte übermäßigen Durst. Die CocaCola
war eiskalt, dazu noch Eiswürfel im Glas. Zisch und weg.
Zurück an Bord meldete sich mein Magen mit Schmerzen über Schmerzen.
Als Ursache vermutete ich die Eiscola. Das stimmte zum Teil. Meine
Wache unten im Keller (im Maschinenraum) begann 20 Uhr und ging
bis 24 Uhr. Unser Schiff wurde mit Schwefelkies-Pulver beladen.
Deshalb waren alle Lüfter abgestellt oder mit Planen abgedeckt. Im
Maschinenraum war es nicht auszuhalten. Die Wache wurde immer von zwei
Mann gehalten, dem Heizer und dem Maschinisten. Ich war der Maschinist.
Auf See gehörte immer noch der Wachingenieur zur Maschinenwache. Im
Hafen machte er aber nur Bereitschaft in seiner Kabine. Wegen der
Magenschmerzen und meiner völligen Benommenheit hatte mir mein Heizer
alle meine Arbeit abgenommen. Ich konnte dann wenigstens den
Notausstieg am Ende des Wellentunnels hochsteigen und bissel frische
Luft schnappen.
Skoda-Busse an Deck der "EMMA" für
Cuba |
Am nächsten Morgen war ich krank. Ich konnte meinen Dienst um 8 Uhr
nicht antreten. Das Schiff bereitete sich aber bereits auf das
Auslaufen vor. Von Mexiko nach Westeuropa. Ich benötigte einen Arzt.
Eine Atlantiküberfahrt mit einem Kranken an Bord wollte der Kapitän
nicht riskieren. Jemand von der Handelsagentur brachte mich im Pkw zu
einem Arzt.
Der mexikanische Arzt hatte seine Probleme mit mir. Ein großes war die
Sprache. Deutsch und Spanisch gingen nicht. Englisch nur schlecht. Mit
einigen Begriffen wie etwa 'Schmerzen' oder 'Magen' oder 'was hast Du
gegessen' und 'was haben die anderen Leute an Bord gegessen' und 'sind
die auch krank?' haben wir uns meiner Krankheit angenähert. Beladen
mit Medikamenten wurde ich an Bord zurückgebracht. Nebenbei gesagt,
der Preis für die Medizin und den Arzt, den das Schiff bezahlen
musste, war horrend. Als ich an Bord zurück war, ging unser Schiff in
See.
Folgende Nacht hatte die Arznei schlimme Nebenwirkungen bei mir ausgelöst.
Mein Kopf und meine Hände schwollen an. Auf doppelte Größe. Meine
Augen waren im Gesicht verschwunden. Die Schmerzen waren jetzt überall.
Es war klar, da lief etwas schief. Zuständig für medizinische Notfälle
an Bord war der zweite nautische Offizier. Wenn dieser nicht mehr
helfen konnte, er war ja nun mal kein Arzt, wandte er sich über Funk
an eine internationale Stelle für kranke Seeleute. In der Sorge um
mich wurde unsere Stewardess bemüht, mich zu untersuchen. Auf
Blinddarmentzündung. Wieso die Stewardess? Nun, sie war vor ihrer
Seefahrtszeit Kinder-gärtnerin. - Ihr seht, alle waren besorgt um
mich.
Busse vom Deck der "EMMA" auf
die Plattform
eines Schwimmkranes |
Vielleicht hatte die kubanische Küstenwache unseren Funk mitgehört,
denn sie erfragte die Schiffsposition und den Sachverhalt zu dem
Kranken an Bord. Daraufhin kam der Kapitän in meine Kammer und sagte
mir, ich solle mich darauf vorbereiten, dass mich eventuell die Marine
mit einem Hubschrauber abholt und in ein sowjetisches Krankenhaus
bringt. Also, es begann interessant zu werden. Mir war aber nicht wie
Lachen.
Doch das Schiff bekam die Order "Einlaufen
Havanna-Innenreede". Ich werde mit einem Boot vom medizinischen
Dienst der Seefahrt, oder so ähnlich, abgeholt. So war die
Information. Als das Boot kam, um mich zu holen, gab es wieder eine
Wendung. In Havanna lag das DDR-Handelsschiff MS "Freundschaft".
Der Schiffsarzt der "Freundschaft" war mit im Boot, er wusste
von meiner Situation und wollte mit mir sprechen. Er sicherte mir zu,
mich wieder gesund zu machen. Bei mir blieb die Entscheidung, ob
Krankenhaus in Havanna (konnte mir eigentlich gut gefallen) oder an
Bord der "Freundschaft" in Obhut des Schiffsarztes, der mir
Heilung verspricht (logisch, dass ich das annehmen musste). Es wurde
umorganisiert und das Boot brachte mich nicht ins Krankenhaus, sondern
zur "Freundschaft". Natürlich war dies die richtige Lösung
- aber im Krankenhaus, in klimatisierten Zimmern mal richtig
ausschlafen, das stellte ich mir auch schön vor.
Der Aufwand und vielleicht auch der Ärger und vor allem die Kosten,
die ich verursachte - all das tut mir leid. Ich konnte nicht dafür,
war einfach nur Pech. |
Teil 1 aus ex "Krank in
Mexico": Seeleute Rostock e.V., März 2009 |
Mit FREUNDSCHAFT zurück nach Hause
Krank in Mexico (2)
Das Lazarett-Zimmer an Bord der "Freundschaft" war nun mein
neues Zuhause. Ein Krankenzimmer auf einem Schiff ist in der Regel völlig
überflüssig. Die Leute an Bord sind gesund. Der Doktor hatte dieses
Zimmer in sein persönliches Museum umfunktioniert. Schön. Der
Schiffstyp und das Leben auf einem Typ IV-Schiff waren mir
vertraut. Ich war auf dem MS "Gera" gefahren, ebenfalls
ein Typ IV, damals auf Ostasienreisen. Welch Zufall, den Steward,
der mir das Essen ans Bett brachte, kannte ich von der "Gera".
Wir kannten uns. Er war dort Matrose. Nach einem Unfall konnte er nicht
weiter als Matrose fahren und wurde zum Steward umgemustert. So ist es
eben manchmal. Einige von der Besatzung der "Freundschaft"
interessierten sich für mich und besuchten mich im Krankenzimmer. Dies
hatte aber zum Teil ebenfalls mit der "Gera" zu tun, weil nämlich
einige Leute einer früheren "Freundschaft"-Besatzung später
auf der "Gera" fuhren. Etwa Bäcker Kuhse. Da ich diese Leute
alle kannte, hatten wir ausreichend Gesprächsstoff. Wie oben schon
beschrieben, ich komme gerade als Kranker von der "Ernst Moritz Arndt".
Die Gera-Zeit liegt länger zurück.
Meine Genesung war eine Frage der Zeit, weniger der Arznei. Der
Schiffsarzt hatte mehrere Erklärungen für meinen Zustand: War es der
Sonnenstich? Hoffentlich bleibt da nichts zurück... zurück... Es
gab eine weitere Erklärung für meinen Zustand - traf bei mir aber
sicher nicht zu: Wenn Fischer im Nordpolarmeer wochenlang keine Sonne
haben, wegen Nebel, aber auch bei Polarnacht, und dann, wenn das Schiff
dieses Gebiet verlässt und die Sonne wieder voll vom Himmel knallt,
kommt es bei den Fischern zur Überproduktion an Vitamin D. Die Folge
ist ein eigenartiges Krankheitsbild. Genauer wollte ich es gar nicht
wissen, mir ging es wieder gut.
Krank war ich ungefähr zwei Wochen. Als ich gesund war, aber noch von
der Arbeit befreit, erhielt ich vom Schiffsarzt Ausgang, genauer gesagt
Landgang. In Havanna kannte ich mich aus, zumindest im Radius, den man
vom Hafen aus zu Fuß erlaufen konnte.
Nach dem Aufenthalt im Krankenzimmer war meine neue Unterkunft nun
"unter Deck". Ich wohnte zusammen mit Stummel. Alle Kabinen
waren Zweimannkabinen. Nur Stummel wohnte bisher allein, das war sein
Privileg, er war von allen am längsten an Bord, und er wollte auch bis
zum Verschrotten an Bord bleiben. Ich musste mich ihm sehr anpassen. Übrigens
ging er nicht mehr an Land, er kannte schon alles.
Ein solches Schiff wie die "Freundschaft" und die
"Gera" liegt noch in Rostock-Schmarl am Kai des IGA-Geländes
als Museumsschiff. "Traditionsschiff Typ Frieden". Die
"Freundschaft" war das zweite Schiff der Frieden-Klasse - das
erste hieß MS "Frieden". Es ist so üblich, dass eine
Schiffsserie nach dem Namen des ersten Schiffes betitelt wurde. Nach
"Frieden" und "Freundschaft" folgten weitere
Schiffe, nach Bezirksstädten der DDR benannt. Es waren
Zehntausendtonner. Die "Gera" war ebenfalls ein Schiff dieser
Serie, sie war das dreizehnte Schiff.
Da ich nun auf der "Freundschaft" anheuerte, war ich ein
Besatzungsmitglied der Maschine. Für die Überfahrt nach Rostock wurde
ich in den Wachplan voll eingebunden. Ich benötigte nur wenig
Einweisung, um meine "Gera"-Kenntnisse und -Erfahrungen hier
auf der "Freundschaft" einzusetzen. Meine hauptsächliche
Erfahrung, die ich von der "Gera" mitbrachte, war allerdings:
Nie wieder Typ IV!! Aber ich konnte es mir nicht aussuchen. |
MS "Freundschaft" - Blick zum Bootsdeck |
Blick von MS "Freundschaft" im Hafen von
Havanna |
Die Fahrt von Havanna nach Rostock führte uns noch für eine Woche nach
Isabella de Sagua auf Cuba und eine weitere Woche nach Matanzas, auch
auf Cuba.
Ich war rund acht Wochen an Bord der "Freundschaft". Da ich
nun richtig zur Besatzung gehörte, war die "Freundschaft"
mein Schiff. Das bedeutete aber normalerweise auch, während der
Hafenliegezeit in Rostock paar Tage nach Hause auf Urlaub und dann
wieder in See. Doch ich hatte von den Tropen erst einmal die Nase voll.
Und ich brauchte Erholung.
Nun, lieber Leser, es gab die Frage: "Wann war das
eigentlich"?
Auslaufen aus Wismar mit der "EMMA": |
14. Januar 1964 |
Auslaufen Coatzacoalcos mit der "EMMA" am: |
08. März 1964 |
Einlaufen Havanna und Umsteigen auf die "Freundschaft": |
12. März 1964 |
Einlaufen Rostock mit der "Freundschaft": |
22. April 1964 |
Absteigen von der "Freundschaft" in Rostock: |
06. Mai 1964 |
|
Lieber Leser, ich musterte von der
"Freundschaft" ab und fuhr anschließend zwei Jahre mit der
"Senftenberg" ins Nordmeer, zigmal nach Murmansk. |
Teil 2 aus ex "Krank in
Mexico": Seeleute Rostock e.V., März 2009 |
Schiffe/Frachter, groß/Typ-IV/12
Typ IV#02-Freundschaft |
Noch ein Wort zum MS
FREUNDSCHAFT
Der Fahrstand
Einmal davon abgesehen, dass wir Typ-IV-Fahrer natürlich genau
wissen, wo und was der Fahrstand im Maschinenraum ist, alle Besucher des
Traditionsschiffes DRESDEN wissen es auch. Sie stehen davor, und sehen es
mit 'eigenen Augen'.
Doch habt ihr es gewusst, dass die zwei ersten Schiffe der
Typ-IV-Baureihe, die FRIEDEN und die FREUNDSCHAFT den Fahrstand tiefer
hatten als die nachfolgenden? Er stand auf solchen den Doppelboden (Motoröltanks)
bedeckenden Flurplatten. Nach einigen Jahren Einsatz wurden die Fahrstände
dieser zwei genannten Schiffe ebenfalls, wie bei den weiteren Schiffen
dieses Typs, auf das höher eingezogene Plattformdeck gesetzt. So wie
jetzt beim Traditionsschiff DRESDEN zu sehen.
Ich kenne den Fahrstand der FREUNDSCHAFT (aus 1964) noch im Zustand
"unten". (Hier eine Bemerkung, da ich vor der FREUNDSCHAFT
bereits auch auf der GERA gemustert war, kannte ich den
"hochliegenden" Fahrstand, so wie er später üblich war.) Im
Prinzip war der Fahrstand der FREUNDSCHAFT ebenso gestaltet, wie man ihn
jetzt kennt. Allerding war der Fahrstand eingehaust, d.h. rundum mit Wänden
verkleidet und mit Fenstern (ei, die Fenster selbstverständlich nicht
nach außenbords) und einer Zugangstür versehen. Diese Einhausung
erbrachte eine Schalldämmung. Und die Belüftung war günstiger als bei
der späteren offenen Variante. Außerdem verliefen unter den Fenstern
schmale Borde als Ablagen für Schreibzeug, und es war Platz für eine
Miniküche (sehr, sehr mini!). Ein Wasserkocher, Tassen und Vorräte an
Tee und Gekörnter Brühe. Also ganz komfortabel.
Und da war eine Sitzgelegenheit für den Chief. Der Chief kam gern in den
Maschinenraum. Als Gast. Er hatte dort seinen Stammplatz. Und sein
Lieblings- und Stammthema: Brasilien. |
Mit SENFTENBERG ins Nordmeer
Christbaum der SENFTENBERG
|
Die Fotos zeigen den
weithin sichtbaren Weihnachtsschmuck der SENFTENBERG. Und richtig,
die ersten Typ-IX-Schiffe hatten eine 'Telefonzelle' (Ausguck) auf dem
Vorschiff, hoch oben.
Für die "Telefonzelle" gibt es sogar
einen Fachbegriff: Eisfahrstand. (ABa, Aug. 2017) |
Die
Fotos machte Rolf zu Weihnachten 1964, auf der Reise von Rostock nach
Safi in Marokko. |
Weihnachten an Bord
Vorn, hoch auf dem vorderen Mast, steht unser Weihnachtsbaum. Der
Schiffselektriker hat ihn 'belichtelt'. Alle Schiffe setzen diese
Weihnachtslichter. In jeder Messe steht ein Weihnachtsbaum. Nach
Seemannstradition läuft am Heiligen Abend kein Schiff aus. Es geht
vorher in See. Wir sind auf Seetörn nach Safi in Marokko.
Am Weihnachtsabend trifft sich die Besatzung in der Offiziersmesse zur
gemeinsamen Feier. Glühwein, Freddys Seemannsweihnacht, etwas zum
Naschen ... Bis zum Fest sammelte der Funker alle Weihnachtstelegramme
von zu Hause. Jetzt liest er sie vor: „... Deine liebe Gabi“, „...
Deine Mutti“, „... Deine Geschwister“. Wer kein Zuhause hat oder
vergessen wurde, bekommt vom Funker ein Telegramm außer der Reihe:
„... Dich grüßen alle Klöppelmäd aus dem Erzgebirge ...“!
E Raacherkerzl wird a'gezünd. Ich hob mer salber e Raachermannl
gedrachselt, an dar grußen Drehbank unten im Maschinenraum. Dos bringt
e bissl Hamit of dos Schiff.
|
Ex "Christbaum
SENFTENBERG": Seeleute Rostock e.V., 11/2009 |
Winter in Murmansk
|
Seit zwei Tagen fahren wir mit der SENFTENBERG
jenseits des nördlichen Polarkreises. Auf spiegelglatter See zieht
unser Schiff durch die Polarnacht. Das Nordkap liegt hinter uns. Wir
steuern die Kolabucht an, halten Kurs auf Murmansk.
In Murmansk ist es sehr kalt, so um minus 35 Grad. Der Hafen bleibt aber
eisfrei. Ein Ausläufer des Golfstromes hält den Kolafjord offen. Wir
liegen auf Innenreede und warten auf einen freien Liegeplatz. Unsere
Pier ist die Schüttanlage für Apatit. 10 Tausend Tonnen Apatit werden
unsere Ladung.
Morgens, wenn der Frost am stärksten ist, steigt der Nebel aus dem
Wasser. Eine Sicht wird fast unmöglich. Tag und Nacht geben sich die
Schiffe gegenseitig Signale und Zeichen, um ihre Standorte anzuzeigen
und zu warnen. Hart und vor allem frostig ist es für die Matrosen, die
Stunde um Stunde den Nebelgong oder die Schiffsglocke schlagen müssen.
Und hören und schauen und riechen sollen.
An den stark unterkühlten Schiffsaufbauten, den Masten, Bäumen,
Rohren, Antennen und am Tauwerk schlägt der Nebel als Rauhreif nieder.
Als Eis. Fingerdicke Leinen werden armstark. Die Antennenanlage
erscheint wie ein gewaltiges Rohrsystem, hoch in der Luft. Unser Schiff
vereist langsam. Schnee verschüttet die Decks. Die hier vor Anker
liegenden Schiffe gleichen gewaltigen Schneebällen.
Mittags erhellt sich der Himmel im Süden etwas. Gespenstisches rosa Dämmerlicht
liegt über dem Fjord und dem Hafen. Nachts, wenn sich der Nebel verflüchtigt
hat, bietet sich ein herrliches Bild des Polarhimmels. Die Sterne
leuchten übergroß.
Nach längerer Reedeliegezeit werden wir endlich an die Ladepier
geschleppt. Doch zuvor erlebten wir die nachfolgende Begebenheit. Das
Beladen mit Apatit geht schnell, in ein bis zwei Tagen ist das Schiff
voll.
Beim Auslaufen gibt es wieder große Probleme wegen des Nebels. Die
Sicht ist gleich Null. Wir können uns nur schrittweise vorarbeiten. Im
offenen Fahrwasser, als wir die Kolabucht verlassen, verbessert sich die
Sicht rasch und wir haben freie Fahrt. Auf Heimatkurs mit vollen Segeln. |
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Verloren in Murmansk
Heute Abend sollte unser Schiff, die SENFTENBERG, von der Innenreede
Murmansk an die Schüttgut-Pier im Hafen (siehe
Foto weiter unten) verholen.
So gegen neunzehn Uhr fuhren wir, Hans und ich, mit einer Barkasse des
Interclub an Land. Zum Einkaufen und vielleicht ein Bier trinken. Eine
Zeit für die Rückfahrt haben wir nicht vereinbart; wozu denn auch, das
Schiff kommt ja bald nach.
Null Uhr beginnt für uns der Dienst in der Maschine. Wir hatten die
Null-Vier-Wache.
Rechtzeitig sind wir im Hafen. Doch unser Schiff leider nicht! Das lag
hell erleuchtet draußen in der Bucht vor Anker. Auf der SENFTENBERG war
es bestimmt schön warm …
Kalt war
es hier. Den Schal um den Kopf gewickelt, tief in das Jackett gerutscht
standen wir an der Pier. Was nun? Unsere Uhren zeigten kurz vor Zwölf
an. Doch das war Bordzeit. Hier in Murmansk war es bereits zwei Stunden
später. Wie sollten wir um diese Zeit, um zwei Uhr morgens, zurück an
Bord kommen?
„Da vorn liegt russische Kriegsmarine ..., ob die uns vielleicht
...?“ „Naja, aber mit einem Boot - wir würden ja auch rudern - könnten
die uns doch ..., ist ja nicht weit ...“
Also wird gefragt.
Die russischen Matrosen verstanden uns nicht, aber sie konnten sich natürlich
denken, was unser Problem ist. Wenn ich erst auf mich zeige und dann auf
das Schiff da draußen und dann paar Schwimmbewegungen mit den Armen
mache, dann versteht es doch jeder.
Ja, sagten sie, wäre schon möglich, um vier Uhr (Ortszeit) fährt ein
Boot der Marine zur gegenüberliegenden Seite der Bucht. Also an unserem
Dampfer vorbei. Da könnt ihr vielleicht mitfahren. So richtig sicher
war mir diese Zusage aber nicht. Also warten. Die Kälte wurde unerträglich.
Wir waren nicht darauf eingestellt. Während die Leute in Murmansk
Filzstiefel tragen, laufen wir in Halbschuhen umher.
Ein Offizier der Marine schleppte uns mit sich fort. Gesprochen haben
wir nicht, konnten uns nicht verstehen. „Jetzt gibt es eine geheizte
Wachstube, dort filzen wir bis morgen früh ... Wir hätten im
"Arktika" lieber mehr essen sollen und dafür etwas weniger
Schampanskoje (Krimsekt) trinken.“
Die alte Holztreppe knarrte, als wir zur Funkbude des Hafendispatchers
hochstiegen. Funkgeräte, Telefone, UKW-Sprechgerät - von hier wurden
die Schiffsbewegungen in der Kolabucht geleitet.
Der Dispatcher war über unser Erscheinen erfreut, war es doch eine
Auflockerung seines einsamen Dienstes. Nach einigen Anrufen unseres
Gastgebers erfuhren wir das, was wir schon wussten: Die Marine nimmt uns
mit, um vier Uhr.
Oh, werden die an Bord auf uns warten - aber die können sich doch
denken, wo es klemmt.
„Hier für Dich“, sagte der Dispatcher zu mir und übergab mir ein
Telefongespräch. Am anderen Ende war der Interclub, die wussten nun
inzwischen auch von unserem Missgeschick, und sie wollten uns helfen.
Wir sprachen miteinander auf Englisch. „Ihr könnt mit einem Boot von
uns mitfahren, bitte kommt zur -------- Pier“. Ja, wo ist denn nun
aber diese genannte --- Pier? Das erfuhr ich nicht. Und unser Freund,
der Dispatcher, könnte es natürlich erklären. Doch wir verstanden ihn
nicht. Bissel Russisch, bissel Englisch und bissel Deutsch, es reichte
einfach nicht.
Die peinliche Lage änderte sich plötzlich. Ein Genosse von der Agentur
nahm uns mit zum Hafen. Ein Schlepper brachte mehrere Lotsen zu den
Schiffen auf Reede. Wir konnten mitfahren.
Na, ist ja noch mal alles gutgegangen - mit bissel Verspätung. |
Ex "Winter in
Murmansk": Seeleute Rostock e.V., 05/2009 & 12/2017 |
Currywurst zum Frühstück!
Wo soll die Currywurst herstammen? Aus Berlin oder gar aus Hamburg?
Pustekuchen! Die DSR hat's erfunden!
Klicke rechts auf die Abschrift des Speiseplans für KW44 1965. |
Currywurst vom Schiffskoch
Im obigen Speiseplan steht die Currywurst an erster Stelle. Hat sich
zufällig so ergeben. Zeigt aber, dass der Schiffskoch und die Küchenkommission
wussten, was den Leuten an Bord schmeckt.
Die "damalige" Currywurst bestand aus einem (1) Stück, eben
einer (1) Wurst. Noch heute, zuhause, ist das "meine"
Currywurst. Wie an Bord. Andere Leute kennen nur die Currywurst aus dem Häcksel-Automaten.
- Guten Appetit. |
Seemannssonntag
Den
Original-Speiseplan aus der Mannschaftsmesse der SENFTENBERG habe ich vor
mir liegen. Mit Schreibmaschine auf dünnem Durchschlag-Papier
festgehalten. Der Speiseplan zeigt eine Woche Bordverpflegung auf unserem
Schiff. Es ist eine Woche im November 1965. Ganz zufällig die Woche vom
1. bis 7. November 1965. Dieser Speiseplan ist typisch für die Schiffe
der Deutschen Seereederei Rostock. Ich möchte aber darauf hinweisen, es
gab noch hunderte weitere Gerichte.
Im vorliegenden Speiseplan fehlt allerdings die 'Coffeetime'. Die
Coffeetime ist ganz wichtig. Sie ist so selbstverständlich an Bord, dass
sie gar nicht im Speiseplan genannt wird. Der Donnerstag ist nach ewiger
seemännischer Tradition ein Seemannssonntag. Der eigentliche Sonntag
bleibt natürlich ebenfalls der Sonntag. An diesen zwei Tagen ist
Coffeetime. Schon morgens gibt es Kaffee oder Kakao. Nachmittags dann
Kaffee und Kuchen. Für die Leute vom Tagesdienst ist eine Stunde früher
Feierabend. Die Männer aus der Maschine und von der Brücke haben um 16
Uhr Wachablösung und kommen nun ebenfalls zur Coffeetime in die Messe.
Dafür gibt es abends "nur" Kalte Platte = Wurst-, Käse- und
Beilagenteller auf der Back.
Ganz unabhängig vom regulären Speiseplan ist der Kühlschrank in der
Messe immer mit Brot und Schmalz und Wurst und Butter bestückt. |
Motorenwärter warten...
... das Herz eines Motorschiffes mit all der dazugehörigen
Peripherie.
Erinnerungen aus dem Maschinenraum der SENFTENBERG |
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Der Einspritzbeginn
Der Dieselgenerator war fertig überholt. Nur noch die Düsen
einsetzen und die Leitungen entlüften. Noch Probelauf und langsam
belasten und Öldruck beobachten usw. Aber erst mal eine kleine
Smoketime, die hatten wir uns jetzt echt verdient. Unser III. Ing. hatte
zugeschaut beim Ermitteln und Einstellen des Einspritzbeginns.
Kaum hatten wir beiseite geschaut, wiederholte der III. Ing. unsere
Messung. Nicht etwa, um uns zu kontrollieren, sondern aus Interesse.
Aber das Unglück dauerte nur eine Sekunde.
Da gab es nämlich einen Trick, einen ganz einfachen. Aber sehr
wichtigen. Den oberen Totpunkt des Kolbens ertasteten wir mit einer
Messuhr. Der Fühler einer Messuhr ist aber zu kurz, um durch die Düsenbohrung
hindurch bis zum Kolbenboden zu reichen. Da steckten wir einen Verlängerungsdorn
dazwischen. Ganz, ganz wichtig ist dabei, dass der Kolben bereits ungefähr
im oberen Totpunkt stehen muss. Sonst fällt der Dorn hinein.
Beim III. Ing. verschwand der Dorn in den Verbrennungsraum. Ei, zu spät.
Pech gehabt. Da musste nun der Zylinderkopf doch noch einmal herunter,
um an den Dorn heranzukommen.
Klar waren wir schadenfroh, aber keinesfalls gehässig.
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Ex "Motorenwärter
warten...": Seeleute Rostock e.V., März 2012 |
Frische Fische
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Mit der SENFTENBERG von Rostock nach Murmansk, 1965.
Ein großer Fisch, von den Fischern in die Höhe gehalten, sollte heißen:
Fisch gegen Schnaps. Schon aus der Ferne ist an der Gestik der Fischer
zu erkennen, dass sie etwas zu verkaufen, besser gesagt zu tauschen
haben.
Ihr Fischkutter ist noch gut eine Seemeile voraus. Das entspricht etwa fünf
Minuten Fahrt für unser Schiff. Jetzt muss schnell geklärt werden,
wollen wir tauschen, dürfen wir, brauchen wir Fisch, haben wir Schnaps
…
Die Entscheidung ist gefallen, mit dem Typhon signalisieren wir unser
"Kaufinteresse". Entsprechend Kurs, Wind, Geschwindigkeit und
Zeichengabe des Fischerbootes wird das "Übergabemanöver"
eingeleitet. Um unser großes Schiff nicht bis Null abzubremsen, fährt
der Kutter in der Endphase neben uns her.
Wir haben ein wesentlich höheres Freibord als die Fischer, deshalb geht
die Wurfleine von uns zu ihnen hinüber. Die Verbindung steht. Sie
binden einen Beutel mit Fischen an unsere Wurfleine und geben das Ok zum
Ziehen. Angeknüpft an unsere Leine ist die ihre, damit die Verbindung
erhalten bleibt. Als Antwort, als Bezahlung, legen wir eine Flasche
Schnaps in den Beutel. Und ab! Die Fischer füllen erneut Fische in den
Beutel. Jetzt ziehen wir. Dies könnte stundenlang so weitergehen. Wer
beenden will, löst einfach seine Leine.
Unser Koch stellt den Speiseplan um. Es gibt
"Frische Fische"!
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Ex "Frische Fische":
Seeleute Rostock e.V., Juli 2016 |
Sommer in Murmansk
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Die Apatit-Pier in Murmansk, und es war dort nicht nur kalt. |
Hantel-Stemmen auf der SENFTENBERG
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Wir hatten einige Sport- und Spielgeräte
an Bord, etwa Bälle, Tischtennis, Luftgewehre und Boxhandschuhe und ein
Akkordeon. Natürlich auch Bücher und Kartenspiele. Aber keine Hantel.
Kein Problem, da kann der Storekeeper helfen. Ein Rohr. Rechts und links
einige Flansche aufgeschoben. Ein paar Heft-Schweißpunkte gesetzt.
Schwarze Farbe drauf. Fertig ist die Hantel. Also ehrlich, meine Leute
waren begeistert!
Trotzdem, vom Ersten Ing., meinem Vorgesetzten, gab es einen kleinen Rüffel:
„Die Flansche sind Ersatzteile, und nun diese Hantel … was soll
das?“
Aber diese Flansche waren doch nicht verloren, sie waren nur aufgefädelt
und schnell wieder lösbar. |
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Ex "Sommer in
Murmansk": Seeleute Rostock e.V., Juli 2016 |
Mit THEODOR KÖRNER (1)
in London
Wir DSR-Seeleute haben doch alle Brennpunkte der Welt
besucht, schmunzel. Auch ich war hier 1967 mit der THEODOR KÖRNER auf
Tour. Ja, es ist wieder ein eigenartiger Zufall, dass es zwei gleiche
Motive gibt - von H. und von mir. (Ich zeige hier aber nur meine eigenen
Fotos.) |
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in Sagua La Grande, Kuba
Unser Schiff, die THEODOR KÖRNER (1),
liegt im Hafen von Isabela de Sagua auf Kuba. Wir schreiben das Jahr
1967 und laden Zucker für Rostock.
Liebe Leute, der Zucker, den wir in Isabela luden und mit nach Rostock
nahmen, kam nicht aus dieser Fabrik, die wir besichtigen wollten. Denn
dort wurde lediglich Rohzucker hergestellt. Die Besichtigung der
Zuckerfabrik von Sagua la Grande wurde uns vom Makler vermittelt.
Zu einer vereinbarten Zeit, nachmittags, sollten wir abgeholt werden.
Unsere Gruppe von dreißig Mann hielt sich am Hafentor bereit. Anstelle
der bestellten und versprochenen Busse kam ein offener Laster. Die Hälfte
unserer Leute musste stehen. Da uns, wir waren ja Seeleute, das
Schaukeln und Springen des Wagens und auch die Zugluft nichts anhaben
konnte, war es eben eine schöne Fahrt durch kubanische Landschaften.
(Ganz so lustig empfanden wir das allerdings nicht.) Vorbei an Gehöften,
Plantagen, Ochsenfuhrwerken, Cowboys und verfallenen Friedhöfen.
Unser Transport im offenen LKW entsprach etwa einer vorort üblichen
Fahrt zu den Zuckerrohrfeldern. Den hohen Schornstein der Zuckerfabrik
sahen wir schon in der Ferne.
Im Städtchen Sagua la Grande begrüßten uns die Leute mit "Alemán"
und "Towarischtsch". Auch hier bettelten uns die Kinder an
wegen Kaugummi (Chicle, chicle!) und Zigaretten (Cigarettes,
cigarettes!).
Dann kamen wir zur Zuckerfabrik, wo mit Spezialtransportern der
Eisenbahn, mit Ochsenkarren oder mit LKW das Zuckerrohr angeliefert
wurde. Die Spezialwagen fuhren auf eine Kippvorrichtung und ließen ihre
Ladung in eine Grube rutschen. Von dort brachte eine Fördereinrichtung
das Zuckerrohr in das Fabrikinnere. Ich hatte den Eindruck, in einem
voll betriebenen technischen Museum zu stehen. Riesige Anlagen, von
Dampfmaschinen getrieben, vollführten einen Kampf mit dem Zuckerrohr.
Das Baujahr dieser Fabrik soll 1911 gewesen sein.
Unser Führer war ein Betriebsmeister. Seine knappen Erklärungen gab er
dem Fahrer unseres Lasters auf Spanisch. Dieser übersetzte ins
Englische. Da er (der Fahrer) aber von der Zuckerherstellung keine
Ahnung hatte, reimte er sich bisschen was zusammen. Das Englische übersetzte
nun jemand ins Deutsche, und dabei kam das heraus, was sich bereits
vorher jeder denken konnte. Ein Beispiel: Wir stehen vor den
Dampfkesseln, unser Führer sagt: "Das ist die Speisewasserpumpe für
die Kessel". Der Fahrer sagt: "Das ist die Pumpe für den
Kessel". Der Dolmetscher: "Das muss irgendwie eine Pumpe
sein". Die Umstehenden nickten und gingen weiter zur nächsten
Station.
In riesigen Behältern kochte Sirup. Hier in Sagua wird aber nur
Rohzucker hergestellt. Dieser ist grob und sieht braun aus. Weißzucker
kommt später aus einer Raffinerie, wo Rohzucker zu Weißzucker
weiterverarbeitet wird. Dieser Rohzucker ist sehr feucht. Wenn ein
Schiff diesen Zucker als Schüttgut transportiert, dann duftet das ganze
Schiff wie nach Rum. Dieser wird nämlich aus Zuckerrohr gemacht.
Das ausgepresste, ausgelaugte Stroh des Zuckerrohres dient als
Heizmaterial für die Kessel. Jede Feuerstelle der Kessel hat ein Gebläse,
mit dem das gehäckselte Zuckerrohr-Stroh in den Brennraum geblasen
wird.
Die Rückfahrt nach Isabela de Sagua brachte uns tropischen Sonnenschein
und tropischen Regen im Wechsel. Es war eine sehr interessante Sache,
diese altertümliche Zuckerfabrik zu besuchen. Doch unsere einstimmige
Meinung war:
"Nächstes Mal besichtigen wir eine Brauerei!!" |
|
Ex "Sagua la
Grande": Seeleute Rostock e.V., Februar 2012 |
Bootsausflug
|
Das Foto von 1967 aus Isabela de
Sagua zeigt einen zufälligen Treff mit anderen Seeleuten (?). Mit dem
Motor-Arbeitsboot, links im Bild, waren wir zum Baden gefahren. Beachte
den einen unserer Leute in Gummistiefeln - wegen der Seeigel-Stacheln! |
Foto und Text (gekürzt):
Rolf Beckert, Chemnitz, 10/2012 |
Muscheln aus Kuba (oder eher
Schneckengehäuse?)
|
Fotos: Rolf Beckert,
Chemnitz, 10/2012 |
Siehe auch
Schiffe/Lehrfrachter/HeineKörner
und La
Paloma - mit weiteren Fotos von Rolf |
Im Khaki nach Warnemünde
Liegt das Schiff im Überseehafen und hat
man viel Zeit, also keine Wache und keine Bereitschaft, da wird man doch
schon bissel zappelig. Im Bereich Überseehafen ist nix los. Die Stadt
Rostock ist nur mit dem Bus plus Straßenbahn oder mit der S-Bahn zu
erreichen. Und - jetzt kommt's - ganz in greifbarer Nähe ist das Seebad
Warnemünde! Aber da ist Wasser dazwischen, der Breitling. Was nun?
Ein sehr guter Vorschlag kam von einem nautischen Offizier: Wir machen
einen Ausflug nach Warnemünde - mit einem Rettungsboot. Er stellte eine
Crew zusammen, vielleicht so zwölf Mann. Große Aufregung. Ein
abenteuerlicher Ausflug. Eine Bedingung von unserem Rettungsboot-Kapitän:
Nur in Khaki-Uniform! Den Urlaubern, den Warnemündern und den Seemollis
zeigen wir mal, wer hier die Kings sind!
Nun liegt zwar die Ausfahrt des Neuen Stroms ganz dicht an der Einfahrt
in den Alten Strom in Warnemünde, aber hier ist die Staatsgrenze der
DDR. Da existiert eine GÜST, eine Grenz-Übergangs-Stelle. Ja, ja, die
eigentliche Seegrenze ist weiter draußen. Aber hier war ein
Grenzposten. Es mag sich möglicherweise nur um wenige Meter (vielleicht
400 Meter) gehandelt haben, aber wir waren dabei, die DDR zu verlassen
und umgehend wieder "einzureisen". Na, aber!
Für die Grenzer war das entstehende Problem, rein menschlich gesehen,
natürlich eindeutig klar. Sie hatten unser Rettungsboot doch aus
Richtung Überseehafen kommen sehen und glaubten uns ja auch, dass wir
nur "zur Schau" nach Warnemünde wollten, doch sie hatten eben
auch ihre Handlungsvorgaben einzuhalten. Aber wir durften passieren!
Danke!
Dem Leser sei gesagt, die großen Handelsschiffe, die Eisenbahnfähren
und die "Weiße Flotte" mussten sich natürlich nicht bei
diesem Grenzposten an- und abmelden, das war anders geregelt.
Unsere Stunde in Warnemünde, in Khaki(!), war, na ehrlich gesagt, fast
etwas peinlich. Wir waren zwar tatsächlich die Kings, konnten damit
aber nichts anfangen. "Omi, Omi, schnell, gucke mal, da sind Engländer,
die haben sich verlaufen"! Ich denke schon, dass da die Seemollis
der Volksmarine mit ihren Uniformen mehr maritime Eleganz ausgestrahlt
haben als wir. Aber wir waren die Kings.
Für uns jungen Seeleute war dieser Warnemünde-Besuch, im schmucken
Khaki, etwas ganz Besonderes. Eigenartig, denn viele von uns kannten
Havanna, Haiphong, Brasilien, Indien und die Bananenhäfen in Afrika,
aber waren noch niemals in Warnemünde. Und unser Rettungsboot- Kapitän
zeigte berechtigten Stolz, als er mit uns dort aufkreuzte.
Die Rückfahrt verlief problemlos. Ansonsten hätten wir unser
Rettungsboot auch ein paar Meter über Land tragen können. Ohne dabei
die Grenze zu verletzen. Unser "Auslaufen" aus dem Überseehafen
und das gleich wieder "Einlaufen" in Warnemünde, mit
Passieren der Grenzkontrolle, war eigentlich eine ganz einfache Sache.
Eigentlich. Wir mussten nicht einmal auf die Ostsee hinaus (wollten wir
ja gar nicht). Aber hier war eben die Grenze - im Seebad Warnemünde. |
Vergrößern!
GÜST Warnemünde (im Bild der Turm rechts von Leuchtturm/Teepott-Dach
auf der nächsten Pier) |
Meine Weltumrundung mit der WERNER SEELENBINDER!
Die zeigen "Mecki" und ich unter Panama - Tokyo - Rijeka.
Dabei hatte ich diese Sicherheitsrolle
1967 zu besetzen.
Auf dieser Reise von November 1967 bis April 1968
leisteten wir bei Hawaii dem Kapitän der "Vantage Progress"
aus New York ärztliche Hilfe, und das Fotoschapp stand mal unter
Wasser. |
Die DSR half den USA
Tagebuch 30. Dezember 1967: Wir haben Hawaii hinter uns. Bis Japan
sind es nur noch einige wenige Tage. Am frühen Morgen drehte das Schiff
vom tagelang gefahrenen westlichen Kurs hart auf Süd. Wir laufen einem
amerikanischen Frachter entgegen, der "Vantage Progress" aus
New York. Dieses Schiff hatte um ärztliche Hilfe gebeten. Wir waren dem
Amerikaner am nächsten und hatten einen Arzt an Bord, Herrn Dr. Prodel.
Am Nachmittag sahen wir dann in der Ferne einen Punkt am Horizont.
"Vantage Progress". Die Barkasse wurde klargemacht. Zwei
Matrosen, zwei Steuermänner, unser Eisbär und natürlich der
Schiffsarzt wurden ausgesetzt. Unser Doktor ganz in "Weiß".
Das amerikanische Schiff lag 600 Meter leewärts von uns. So wurde das
Manöver sicherer. Unser Schiffsarzt wurde schon dringend erwartet. Der
amerikanische Kapitän hatte Atembeschwerden und musste von einem Arzt
behandelt werden. Unser Doc schaffte es. Er war drei Stunden beim
"Alten" der "Vantage Progress".
Der Doktor und unsere Barkassenbesatzung kamen beschenkt zu uns an Bord
zurück. Für unseren Kapitän und die Besatzung gab es Dank für die
Hilfeleistung und Glückwünsche zum bevorstehenden Jahreswechsel.
Die Schiffe setzten ihre Reisen fort. Wir, die "Werner
Seelenbinder", vom Panamakanal kommend weiter nach Japan. Der
Amerikaner, die "Vantage Progress", von Südvietnam kommend
zurück nach den USA. Noch ein Signal mit dem Typhon.
"Sternenbanner" und "Hammer und Zirkel" wurden
eingeholt. |
Die Fotos zeigen
das Übersetzen unseres Schiffsarztes zum amerikanischen Schiff
"Vantage Progress":
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Dat Fotolabor-Schapp steiht ünner Water!
Der Timming spricht mich an: "Du, Keeper, ut dien
Fotolabor-Schapp kümmt ehn Strull ut dat Slötellock. Möt dat so
sien?" - Natürlich "möt" das nicht so sein. Was ist da
nur los, Wasser aus dem Schlüsselloch? Oh, das sieht nicht gut aus.
Vielleicht sage ich meinen verehrten Lesern, was ein Fotolabor an Bord
eines Schiffes ist, und wieso da so viel Wasser drinnen steht, dass es
als Strahl aus dem Schlüsselloch herauskommt. Also, wo das Wasser
herkommt, es läuft ja immer noch, muss erst geklärt werden. Nee, zum
viel Erzählen ist jetzt keine Zeit.
"Komm, Timming, das sehen wir uns einmal an." Timming ist der
Zimmermann an Bord, oft heißt der Schiffszimmermann auch
"Hanning". Ist nun mal so.
Tatsächlich, das Schott des Fotolabors war absolut dicht. Verriegelt
durch Vorreiber. Das Bullauge im Schott ist auch dicht. Nur eben aus dem
Schlüsselloch kam ein Strahl Wasser. Wie hoch mag das Wasser im Inneren
stehen? Was nun? Das Türschloss aufzuschließen wird wohl gehen, aber
wenn wir die Vorreiber öffnen?. Uns wird es nicht über Bord spülen,
da passen wir schon auf. Aber vielleicht bringt die Woge aus dem Labor
die ganze Inneneinrichtung mit, und alles geht nach draußen.
Na ja, so überaus gefährlich war unser Vorhaben nun auch wieder nicht.
Wir entriegelten die Vorreiber nur so weit, dass sich das Schott leicht
aus der Gummidichtung löste, um etwas Wasser abfließen zu lassen. Das
Fotolabor konnte jetzt "Entwässern". Der letzte Schwall
konnte abfließen.
Ein Schott auf einem Schiff, also eines, das nach außen an Deck geht,
hat eine sehr hohe Türschwelle. Es ist keine solche, wie man sie von zu
Hause kennt. So ein Schott hat die Türschwelle etwa in Kniehöhe.
Ei, da schwimmt eine Entwicklerdose. Immer wenn das Schiff krängt,
kommt ein neuer Schwapp. Zum Glück ist auf einem Schiff fast alles
angeschraubt. Ein paar leere Flaschen plätschern noch in den Fluten.
Toi, toi, das Wasser reichte lediglich hoch bis zur Tischplatte. Der
Filmtrockenschrank war abgesoffen. Ob das Gebläse noch funktioniert,
wird erst geprüft, wenn alles trocken ist. Das Vergrößerungsgerät
und andere Laborgeräte, etwa die Fotoschere und die Trockenpresse,
haben nichts abbekommen. Abgesehen von der sehr feuchten Luft im Schapp,
aber die Luft ist auf See immer feucht. Etwas Fotopapier war verloren.
Schade.
Das Wasser steht weiterhin knietief. Die Ursache für die Überschwemmung
haben wir noch nicht gefunden. Ehrlich, wir haben noch nicht danach
gesucht. Mit einem Schlauch lassen wir das Wasser nach Außenbord
ablaufen. Erst jetzt war deutlich zu hören, dass in einem Schrank
Wasser aus einer Rohrleitung zischt.
Ich will Euch nicht länger auf die Folter spannen. Ein eingefrorenes
Wasserrohr war geplatzt, und nun, da wir wieder in Richtung Süden
fahren, konnte das Rohr auftauen und unbemerkt auslaufen. War ein ganz
dummer Zufall.
Zuvor ging unser Törn von Japan nach Korea. Es wurde schlagartig eisig
kalt. Das Schiff an sich war natürlich auf Winter eingestellt. Was
nicht klappte, und aus Zeitdruck auch nicht mehr zu packen war, war die
Beheizung des Achterschiffes. Na klar müsste jetzt, da die Heizung
nicht geht, das Wasser für das Fotolabor abgestellt werden. Aber glaubt
es mir, diese unmögliche, unerwartete Kälte brachte noch zig andere
Probleme gleichzeitig. Da hat eben das Fotolabor was abbekommen,
ihr habt es ja gelesen.
"Water ut dat Slötellock möt nich sien."
Auf der WERNER SEELENBINDER 1968.
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Lokation des Fotolabors auf einem Typ
X-Schiff:
Die Typ-X-Schiffe hatten achtern ein Deckshäuschen. Auf der
SEELENBINDER war es ein richtiges Winschenhaus mit zwei Wippkränen
drauf. Die Grafik, ein Ausschnitt von der SCHNELLER aus dem
"Jahrbuch der Schiffahrt 1965", zeigt es. Siehe auf diesem
Bild den Bezeichner 39 - links daneben ist das Fotolabor. Weitere Räume
waren Wäscherei, Wäschelast, Stores (Putzlappen usw.) und Räume für
den E-Mix. |
Eine wichtige Arbeit aus eben diesem
Fotolabor: |
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Das Foto zeigt einen
abgestürzten Kran der SEELENBINDER. Rolf machte die Beweisfotos für
die Schiffsführung. So geschehen 1968 in Wakamatsu/Japan. Im
Hintergrund ist die Wakato-Bridge auszumachen. Siehe bei uns auch Quer durch Wakamatsu. |
Schiffe/Frachter, groß/Typ-X/ |
Seemann
Man sagt (oder denkt) wehmütig,
als wäre es schon hundert Jahre her:
„Ich war ein Seemann.“
Eine kleine Begebenheit am Rande der Hanse Sail in
Rostock.
Ein Großsegler legt an. Im Stadthafen Rostock. Der vorgesehene
Liegeplatz war ausreichend groß. Aber ohne Schlepperhilfe ... Es wurde
knapp.
Ich denke nun: „Eeh, mehr, mehr Voraus! Nun mach schon! Ohhh, das
wird eng.“
Und schon fliegt die Vorleine in Richtung Pier.
Zwanzig und mehr Leute an Land gucken zu und warten. Vielleicht denken
sie, hier läuft gerade ein Theaterstück, oder so.
Ich lass' mein Fahrrad fallen, fange die Leine und belege einen Poller
damit. Das Gewicht der Leine hätte mich fast über die Kante gezogen.
Ich bin immer noch ein Seemann.
Bitte gebt mir recht! |
Herzlichen Dank an Rolf Beckert für
all seine Stories und vielen Fotos bei uns!
Fotos und Worte: Rolf Beckert,
Chemnitz
Gemeinsame Nachbearbeitung: ABa, Hamburg
Übrigens: Viele weitere Fotos von Rolf sind auf unseren Seiten zu
finden!
"Ich war mal Seemann": Seeleute Rostock e.V., Februar 2020
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24.05.2022 |
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"Tradi" - Fakten |